Der weiß nicht, dass Krieg war
Original-Vortrag, Text und Melodie von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 289

1.
Ein ganz kleines Mäuschen kommt heimlich und stumm
heraus aus dem Häuschen und schnuppert herum.
Es läuft in die Küche und sucht dort ganz leis',
es find't keine Graupen, keinen Gries, keinen Reis.
Das Mehl, das ist alle, der Zucker ist weg,
ja, selbst in der Falle, da fehlt es am Speck.
Man kann den Mäuschen nicht sagen: „'s ist nichts mehr im Haus“,
denn es weiß nicht, dass Krieg war und dass wir arm – wie 'ne Maus.

2.
Ich hab einen Vogel, doch nicht etwa hier (auf die Stirn zeigend),
ich hab ihn im Bauer, der singt nicht wie früh'r.
Er kriegt seine Körner nicht richtig gemischt,
drum denkt er sich: „Ferner, da tue ich nischt.“
Er wird immer stiller, er singt nicht ein Lied,
schlägt nicht mal 'nen Triller fürs Herz, fürs Gemüt.
Man kann ihm nicht sagen: „Bitte, zeig' deine Kunst“,
denn er weiß nicht, dass Krieg war und er tut's nicht umsunst.

3.
Zur Sommerzeit drückt man die Uhr'n um 'ne Stund',
doch so'n Hahn auf dem Hofe hält nie seinen Mund.
Was kümmert es den, ob den Zeiger man dreht,
der fängt um drei an zu kräh'n, wenn die Sonne aufgeht.
Dann nützt keine Beschwerde, er hält den Schnabel nicht still,
pfeift auf die Behörde und kräht, wann er will.
Man kann ihm nicht sagen: „Kräh' von jetzt ab um vier!“
Denn er weiß nicht, dass Krieg war, drum kräht er wie früh'r.

4.
Wie gut hatt' es früher so'n Affe Zoo.
Bonbons, Äpfel, Nüsse bekam er en gros.
Dafür hat er erkenntlich manch Kunststück gemacht,
jetzt denkt er: „Ihr könnt mich – –“ denn ihm wird nichts gebracht.
Er lässt sich begaffen, gibt's keinen die Hand,
er denk bloß: „Ihr Affen!“ Und schmeißt sie mit Sand.
Man kann ihm nicht sagen: „Unsre Taschen sind leer.“
Denn er weiß nicht, dass Krieg war – wir sind wilder wie der.

5.
'ne Kaninchenfamilie hockt harmlos in Bau,
die Klein'n sind die Kinder, dazu der Mann und die Frau.
Man kann dem Manne nicht sagen: „Vermehre dich schnell!
Wir brauchen dein Fleisch und gebrauchen dein Fell.
'ne Menge Kaninchen komm'n für uns in Betracht,
weil man aus euerm Fleisch die Geflügelwurst macht.“
Man kann dem Manne nicht sagen: „Sorg' dafür, dass es reicht!“
Denn er weiß nicht, dass Krieg war, sonst tät er's vielleicht.

6.
Die sorglos und heiter gibt heut' noch ein Huhn,
es sitzt auf der Leiter und hat nichts zu tun.
Es liegt ganz gemütlich mit gackerndem Schrei
auf den Kopf der Bevölk'rung jeden Monat ein Ei.
's hat nicht 's richtige Futter, da ist's eben aus,
wenn vorne nichts reinkommt, kommt – nichts dabei raus.
Man kann dem Huhne nicht sagen: „Lege mehr dann und wann!“
Denn es weiß nicht, dass Krieg war und streng sich nicht an.

7.
ich habe ein Hündchen, ein wachsames Ding,
das hab ich gut gefüttert, solang es nur ging.
Jetzt bin ich selbst auf dem Hund – mein Hund schaut mich an,
er kriegt keine Knochen, Brot – geht er nicht ran.
Man kann ihm nicht sagen: „Das Brot ist gestreckt,
er lässt's einfach liegen, bei der Fraß ihm nicht schmeckt.
Ich kann ihm nicht sagen: „Ich kann nichts dafür“,
denn er weiß nicht, dass Krieg war, nun ist er bös – bin mir.

8.
Ein Säugling ist heut' oft verlassen von all'n;
die Mutter muss schaffen, der Vater gefall'n.
Er möcht' spiel'n immerzu, aber keiner hat Lust,
er möcht' will ich – doch die Kuh ist zu schwach auf der Brust.
Man möchte das Kindel oft bitten recht sehr:
„Gib 8 auf die Windel – es gibt keine mehr.“
Man kann den Kleinen nicht sagen: „Schon' die Windeln – lieg' still!“
Denn er weiß nicht, dass Krieg war und er macht – was er will.

9.
Aber'n Schwein heutzutage wird geachtet, geehrt,
denn so'n Schwein mit 4 Beinen hat riesigen Wert.
Dass die Schweine mein hütet, das kannte man schon –
jetzt werd'n Sie behütet, die komm'n in Pension.
So 'ne Sau hockt im Zimmer, sie nimmt's nicht genau,
benimmt sich wie immer – 'ne Sau bleibt 'ne Sau.
Man kann ihr nicht sagen: „Du gehörst nicht nach hier“,
denn sie weiß nicht, dass Krieg war – die lebt besser wie wir.

Anm.: als 9. (letzte) Strophe könnte auch gesungen werden:

Aber 'n Krieges-Gewinner, der hat heute Glück,
die andern werd'n dünner – so 'n Mann der wird dick.
Der weiß alle Quellen, der weiß, wo's was gibt –
der weiß alle Stellen, wo man hintenrum schiebt.
Der weiß, wo man Plage und Sorge verlacht,
kennt keine fleischlosen Tage, keine fleischlose Nacht.
Der weiß, wo Musik ist, wo der Mensch sich zerstreut,
bloß er weiß nicht, dass Krieg war – so gut geht's ihm heut!

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