Der TraumdeuterDer Traumdeuter

Teich/Danner Nr.131

Original-Kostümszene von Otto Reutter

(Der Vortragende, in ein fantastisches orientalisches Kostüm gekleidet und ein Traumbuch in der Hand halten, tritt langsamen, gemessenen Schritten nach dem Takte der Musik auf. Sich tief verfolgend.)

Salem Aleikum!
Gummi Arabikum!
Doppelt kohlensaures Natron!
Träume sind Schäume! Der Spruch ist bekannt
ich aber Zier trotzdem hier vergnügt und froh durchs Land.
Ich deute die Träume, damit ihr's nur wisst,
denn ich bin helle, wenn's auch dunkel ist.
(Die folgenden Zeilen werden recht eintönig gesungen bzw. gesprochen, von der Musik nur
ganz leise unterstützt)

Ja, ich hab für alle Träume, die es gibt, ein kolossales Interesse.
In meinem Buch hab ich alle Lösungen von A bis Z, von Aal bis auf Zypresse.
Ich reise durch alle Länder, von Norden nach Süden und von Osten nach Westen –
und ich kenn alle Völker, und ich spreche alle Sprachen – die deutsche am besten.
Sprechstunde hab ich für die Herren von morgens um achte bis mittags um eins –
und für die Damen von mittags um zweie bis abends um achte –
und wenn Sie jung und schön sind – auch bis neune.
Kommen Sie rein zu mir, denn es geht Ihnen leid, wenn sie die Gelegenheit versäumt hab'n,
denn ich bin klug und weise – und wenn Sie mir Ihren Traum erzählt haben,
dann weiß ich genau – was sie geträumt hab'n. –
Nun achten Sie drauf, denn jetzt wird ihnen klar,
wer in der letzten Zeit hier bei mir war.

Couplet.
(Zur Beachtung: es können ohne die Wirksamkeit des Couplet es zu beeinträchtigen, mehrere Verse weggelassen werden.)

1.
Ein notleit'nder Landwirt kam zu mir geeilt,
der träumte, es wurde jüngst Geld ausgeteilt –
da hat jeder Bürger sein Scherflein gekriegt –
nur er kriegte nichts – und war trotzdem vergnügt.
Ich sprach: „Die Deutung ist nicht schwer,
da kann man wieder sehen:
ein Landwirt, der ist stets vergnügt,
Mag's ihm auch schlecht ergehen.
So'n Bürgersmann ist leidlich froh,
wenn wenig ihm beschieden.
Doch ihr seid noch bescheidener:
ihr seid mit Nischt zufrieden.“

2.
Es war Herr von Einem – das ist wohl bekannt –
zum Kriegesminister vor kurzem ernannt.
Er sah die Beförd'rung im Traume vorher
und frug mich, ob da etwas wahres dran wär.
„Jahr“, sagte ich du von Einem da,
„Das mussten sie doch wissen,
den hohen Posten hätten Sie
schon lange haben müssen.
Ihr Name sagt's, nur ihn'n gebührt
der hohe Rang – sonst Keinem.
Das Militär war nämlich stets
schon kommandiert – von Einem."

3.
Vom König Italiens ich kürzlich vernahm:
der träumte, dass er einen Korb jüngst bekam.
Der Chor kam aus Russland. Im Korb –'s war nicht schön,
da war'n zwei gelad'ne Revolver zu seh'n.
Ich sprach: „Das ist der Korb, den du
vom Zaren angenommen –
und die Pistol'n, die sagen dir,
warum er nicht gekommen.
Doch, lieber König, tröste dich,
bemeist're die Erregung!
Der tapfere Zar gehört vielleicht
zur Los von Rom-Bewegung.“

4.
Herr Kirschner, der Ober vom schönen Berlin,
der hatte nen Traum, der war schrecklich für ihn.
Es wurden noch hundert Denkmäler bestellt.
„Ach“ rief er – „das geht nicht, Berlin hat kein Geld!"
Zum Oberbürgermeister sagt ich:
„Lieber Freund, bedenk mal,
das ist doch gut – wo man bei euch
jetzt hinspuckt, steht ein Denkmal.
Und g'rade dadurch wird Berlin
die reichste Stadt auf Erden.
Denn wenn ihr soviel Steine kriegt,
müsste ihr ja steinreich werden.“

5.
Vom „Vorwärts“ kam kürzlich zu mir 'n Redakteur –
der sah eine Insel, – nen See ringsumher –
ein Schloss und nen Hügel – wie ne Festung sah's aus,
im See schwamm ne Ente, die nahm er sich raus.
Ich sagte: „Freund, die Ente war
das greifbarste von allen –
doch in den See da bist du, glaub ich,
selber reingefallen.
Das Lustschloss war ein Luftschloss nur.
Du stand'st vor Schloss und Hügel
und ein paar Tage später warst
du hinter Schloss und – Riegel.“

6.
'n Sozialdemokrate sprach jüngst voller Leid:
„Ich träumte von schönerer, späterer Zeit.
Da kann August Bebel und hieb auf mich ein.
Wie mag von dem Traume die Lösung wohl sein?
Da sagt ich à in Lohengrin:
„Nie sollst du mich befragen.
Du hast von spät'rer Zeit geträumt –
das darfst du nicht mehr wagen.
Darin ist August Bebel scharf –
sonst wirst du rausgehauen.
Du weißt – ein Sozialiste darf
nicht in die „Zukunft“ schauen.“

7.
Es kam ein Bankier zum Gefängnis jetzt raus.
Ein Kinderfreund war er – vergnügt rief er aus:
„Ich träumt diese Nacht, ich war ledig und frei
und war bei der herzigen Frieda auf's neu.“
Da sag ich zu dem Herrn Bankier:
vorbei ist die Bedrängnis,
doch stimmt dein Traum zur Hälfte nur,
du kannst zwar vom Gefängnis,
doch glaub ich, bei der Frieda wird
wohl nicht dein Aufenthalt sein.
Bedenk, die ist jetzt 18 Jahr –
da wird sie dir zu alt sein!“

8.
Ein blutjunges Mädchen war kürzlich mal hier.
Das sagte: „Ich träumte ein Mann war bei mir.
Der Küste so süß, Ach, die glauben es kaum –
und ich hielt ganz still – was bedeutet der Traum?“
Ich sprach: „Der Traum bedeutet nichts –
drum bleibt nur froh und heiter –
die hübsch nach Haus, leg dich ins Bett
und träume ruhig weiter.
Träum, was du willst, von Lieb und Glück,
und allen Seligkeiten –
so lang das nur im Traum geschieht,
hat's gar nichts zu bedeuten.“

9.
'ne Köchin hat kürzlich nen Traum mir erzählt:
ihr Fritz, der Soldat, hätt' ne And're erwählt –
am nächsten Tag kam er dann wieder zu ihr.
Sie aber gar ihm nichts zu essen dafür.
„Um's Himmelswillen,“ rief ich da,
„Wie kannst du sowas träumen!
Gib stets zu essen dem Soldat,
das darfst du nie versäumen.
Oh, lass ihn niemals Hunger mehr
trotz seiner Herzenswandlung.
Sonst wirst du schließlich angezeigt,
weg'n Militär-Misshandlung.“

10.
's will nach der Sahara ein Kaiser jetzt geh'n,
der hat eine Fata Morgana geseh'n.
Er war in der Wüste – und um ihn herum
war'n lauter Kamele – das war ihm zu dumm.
Ich sagte: „Freund, der Traum ist gut.
Dich selbst als Kaiser sie's the –
und die Kamele sind ein Volk,
dafür ist das ne Wüste.
Drum tröste dich, so mancher Fürst,
der sollst aus tiefer Seele:
wär'n unter meinen Untertanen
nur noch mehr Kamele.“

11.
Jüngst sagt mir ein Ungarn: „Im Traum kam ich heut,
mit nem sehr hohen Herren aus Öst'reich in Streit.
Er hätt' mich zum fressen gern, sagte er dann,
er wollt mich auch fressen, doch er hat's nicht getan.“
Ich sagte: „Dass der dich nicht fraß,
das glaub ich, weil mir klar ist
du bist Ungar – und ungar ist
das alles, was ich gar ist.
Und was nicht gar ist, das ist roh –
drum lass dich's nicht verdrießen,
gerad, weil du roh und ungar ist,
bist du nicht zu genießen!“

12.
Jüngst hatt' ich Besuch von nem älteren Herrn.
Der sagte: „Ich schlaf und ich träume so gern.
Ich träumt, dass mein Weib sich nen andern erkor“.
Den Schluss von dem Traume sprach er mir ins Ohr
„Wahrscheinlich langweilt sich dein Weib, Anfangszeiten oben
sagt ich dazu dem Braven.
„Du träumst zu viel, das liebt sie nicht.
Du musst nicht so viel schlafen.
Nun kommst du Schafskopf noch hierher –
wer weiß, was du versäumt hast.
Vielleicht tut gerade deine Frau
jetzt das, was du geträumt hast!“

13.
ne polnische Gräfin stand jetzt vor Gericht.
Die hat – über 50 – ein Kind noch gekriegt.
Jüngst hatte nen Traum Sie – da war es ihr klar.
's war wirklich ihr Junge, der Traum der war wahr.
Zu der Frau Gräfin sagt ich da:
„Die Sache ist so dumm nicht.
Sie hab'n im Traum ein Kind gekriegt –
na, wenn das geht, warum nicht?
Ich kann's begreifen, wenn man sich
das Leben angenehm macht –
und wenn man in Ihr'm Alter sich
das Kinderkrieg'n bequem macht.“

14.
Es hat Anna Rothe nen Traum jüngst gehabt –
sie hielt eine Sitzung, 's hat alles geklappt.
Die Geister, Sie kamen und gingen auf's Wort,
wann war sehr zufrieden mit ihren Apport.
Da sagt ich: „Anna, was du träumst,
sind lauter faule Chosen.
Du hatt'st den ganzen unter Rock
voll Apfelsin'n und Rosen.
Die hast du vorher dir gekauft,
denn in den Unterhosen,
Merk dir geliebte Anna, das –
da wachsen keine Rosen!

(Diese letzte Strophe wird etwas langsamer besungen. Die 4 letzten Zeilen leiten in die
Schlussstrophe hinüber.)

15.
Zum Schluss kam der Zar. Oh, der war ganz entzückt,
er hat sich als Friedensengel erblickt.
Er trug eine Palme – ein Kleid weiß wie Schnee –
die Taube des Friedens flog stolz in die Höh.
Als dies der Zar zu mir gesagt,
dass sprach ich unumwunden:
„Nein, Väterchen, du hast mir 'n
Russ'schen Bären aufgebunden“.
Stell hab mein Buch ich zugeklappt
und sagte unter Lachen:
„Den Traum, den hast du nicht gehabt,
du träumst von ander'n Sachen.
Du führst ja Krieg jahraus – jahrein –
du willst ein Friedensengel sein?
Das, lieber Zar, du wirst verzeih'n –
fällt dir nicht mal Traume ein!“ (Geht langsam ab.)

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