O, ihr Berliner – ihr seid ja viel zu jut!

Original-Couplet von Otto Reutter

1.
Wenn Eener seine Näse rümpft
und mal uf  de Berliner schimpft,
da komm ick stets in Wut.
Dann sag ick jleich: Ick habe recht!
Macht blos nich de Berliner schlecht,
die sind noch viel zu jut.
Wird in – Berlin –
ein Ringkampf uns beschieden,
dann loofen alle Leute hin – selbst Begas ist zur Stell'.
Man tobt – man jloobt –
an All'ns und sagt zufrieden:
Wenn Eener siegt und Eeener fällt, dann is es ooch reell.
Ja, der Berliner jederzeit,
der schwärmt für die Jenügsamkeit
und sagt zu leicht keen'n Ton.
Der Jrunewald zum Beispiel jetzt,
der soll verschwind'n – ick bin entsetzt –
der ist jetzt Holzauction.
O, ihr Berliner – ihr seid ja viel zu jut!
O hört uff meine Mahnung!
Ihr habt ja keene Ahnung,
wie euch det schaden tut.
In später'n Zeiten – ick sag et voller Jrau'n –
verschwinden alle Bööme bald
und traurig singen Jung und Alt:
O wunderschöner Jrunewald,
wir hab'n se dir verhau'n!

2.
die Sarah Bernhardt, wie bekannt,
geht lange fern dem deutschen Land.
Jetzt schenkt Sie uns die Ehr.
Als man sie vor x Jahren frug,
da war sie noch nicht alt genug.
Da kam Sie noch nicht her.
Doch jetzt – zuletzt –
nun kommt die olle Sarah –
jetzt ist Berlin ihr Hauptquartier – hier bleibt Sie jerne drin.
Man looft – man kooft –
und denkt: Erst warste mars (mager),
jetzt wirste dick und fett bei uns – mach dich man wieder dünn!
Jawohl, das Fremde imponiert,
selbst wenn's schon etwas antiquiert.
Und drum behaupt' ich kühn:
so macht's ne jede Künstlerin –
erst kommt se in die Jahre rin,
dann kommt se nach Berlin!
O, ihr Berliner – ihr seid ja viel zu jut!
O hört uff meine Meinung!
Ihr habt ja keene Ahnung,
die euch det schaden tut.
Selbst wenn Sie ferner mir Ihre Junst entzieh'n,
trotz alledem behaupt' ick doch:
pfeift Eene uff'm letzten Loch,
dann jiebt's blos eene Rettung noch,
dann kommt se nach Berlin!

3.
Hier jab's een großet Wundertier.
Den janzen Sommer sprach man ihr
bloß von dem „klugen Hans“.
Den Krieg in Südwestafrika
die Politik et cetera –
verjaß man jar und janz.
Vom Nord – Süd –
selbst aus dem feinen Westen
lief man zum „Osten“ hin – der Hans, der ward jeseh'n von All'n
Hans lacht – und dacht:
Wat soll ick mit den Jästen ?
Mein Stall, der steht so voll – keen Appel kann zur Erde fall'n
und hat sich Eener mal beschwert
und sprach: Der is wie'n andres Pferd!
Dann wurd'n die Leute jroh.
Dann hieß et jleich: Der kluge Hans
hat mehr Verstand in seinem Schwanz
wie Sie in Ihrem Kopp!
O, ihr Berliner – ihr seid ja viel zu jut!
O hört uff meine Mahnung!
Ihr habt ja keene Ahnung
wie euch det schaden tut.
Ja, euer Hänschen fiel durch mit Elejanz.
Trotzdem behaupte ick erjrimmt,
det man vom Hans noch viel vernimmt.
Det nächste Denkmal janz bestimmt
kriegt doch der kluge Hans!

4.
Ick kenne eene Tänzerin.
Die kam janz barfuß nach Berlin
und ihr Erfolg war jroß
der Name fällt mir jetzt nicht ein,
Sie könn'n sich denken, wen ick mein'.
Hier holt sie 't meiste Moos.
Sie schwebt – Sie hebt
die Beene so ästhetisch.
Wie Monna Vanna kommt se raus – nen Mantel trägt se bloß.
Man blickt – entzückt –
und ruft: Ach, wie poetisch!
Nee, seht mal Ihre Füße bloß, so reen, so scheen, so groß!
Ob Trauermarsch und ob Choral,
Det is ihr allens janz ejal,
sie tanzt dazu Jalopp.
Sie tanzt nich bloß vorm Publikum –
sie tanzt euch uff die Näse rum –
sie tanzt euch uff'm Kopp!
O, ihr Berliner – ihr seid der viel zu jut!
O hört uff meine Mahnung!
Ihr habt ja keene Ahnung,
wie euch det schaden tut!
Nun seid nicht böse, wenn ick so laut jeschrie'n.
Ick  nehm ja jern mein Wort zurück,
denn ick – det is een wahres Jlück –
bin jrade so wie Sie, denn ick
bin selber aus Berlin!

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