Moderne Denkmäler
Original-Soloscene von Otto Reutter
Teich/Danner Nr.160
(Der Vortragende tritt, in Künstler-Maske mit einem Bildhauermantel bekleidet, hastig auf die Bühne. Auf der Bühne befindet sich ein Gestell mit den während des Couplets erwähnten Denkmäler-Entwürfen.)
Auftrittslied
Verehrte Damen, werte Herr'n,
ich habe jetzt die Ehr –
ich bin Professor Streberlein,
verzeih'n Sie, wenn ich stör.
Ich komm direkt vom Atelier –
ich hab nur wenig Zeit.
Die neu'sten Monumente will
ich Ihnen zeigen heut.
Ja, die Denkmalskunst, blüht jetzt,
das beweis ich Ihnen gleich,
ich muss treten, kneten, knipsen,
gipsen für das ganze Reich.
Alle Leute kommen heute, ob bekannt, ob unbekannt.
Jeder kriegt von mir sofort 'nen Gipsverband.
Jawohl, ich habe viel zu tun,
ich kann den ganzen Tag nicht ruh'n –
wo nur ein freier Platz seh'n,
da muss sofort ein Denkmal steh'n.
So mancher Mensch, den Niemand kennt,
der nur ein „von“ sein Eigen nennt,
kriegt im Moment ein Monument,
weil man ihn sonst vergessen könnt.
Jüngst frug mich jemand: „Sag'n Sie eins:
Warum kriegt Heinrich Heine keins?“
„Der braucht kein Denkmal,“ sagt ich froh –
– unten Den Mann, den kennt man so wie so.“
Für war, geliebtes Publikum,
ich meiß'le mich noch lahm und krumm,
es laufen immer – 's ist zu dumm –
noch mancher ohne Denkmal rum.
Das will doch etwas heißen –
besonders hier (wohl) in Preußen.
Nun bitt' ich, dass ich zeigen dürfe
die allerneuesten Entwürfe.
Couplet
1.
Berlin ist längst, wie jeder weiß,
'ne Zwei-Millionen-Stadt
das ist doch eine, die
kaum ihresgleichen hat.
Drum halt ich das Ereignis auch
gleich fest durch die Skulptur.
(Zeigt auf Bild 1)
ich setz ein Monument der
zweimillionsten Kreatur.
Auch wird der Hans, das kluge Pferd,
bald durch ein Monument geehrt.
(Bild 2)
hier steht er auf dem Pfosten
und blickt gespannt nach „Osten“.
Am Sockel hängt ein Lorbeerkranz –
die SCHLEIFEN sind immens
darauf steht: „Ihrem klugen Hans
die Stadt der Intell'genz.“
2.
(Bild 3)
Zwei Bürgermeister hat Berlin,
die ihr hier oben seht.
Der Kirschner ist ein Aktenmensch,
der Reicke ein Poet.
Wie Friedrich Schiller steht er da,
als wollt er sagen hier:
„Wenn du auch sonst der Ober bist,
hier bist du unter mir.“
Und Kirschner unten schlägt Skandal:
„Ach, helfen Sie mir endlich mal.“
Doch lächelnd sagt Herr Reicke:
„Nein, lieber Freund, ich streike,
ich hab heut meinen Dichtertag.“
Und Kirschner sagt versöhnt:
„Nun gut, dann wart ich, denn ich bin
ans warten ja gewöhnt.“
3.
(Bild 4)
Jung-Siegfried Wagner seh'n Sie hier
mit der Cosima-ma,
sein Vater unten – und der Sohn
steht über dem Papa.
Er komponiert den ganzen Tag –
das sieht man deutlich hier.
Der Alte denkt dann stets: „Mir ist,
als wär's ein Stück von mir.“
(Bild 5)
hier steht Leoncavallo kühn
mit seiner Oper aus Berlin.
Noch mehr gefallen hat Sie
als wie sein Werk Bajazzi.
Die deutschen Komponisten tritt
er tot mit einer Zeh'.
'ne neue Oper schreibt er jetzt,
genannt: Die Sieg'sallee.
4.
(Bild 6)
hier kann man Sarah Bernhardt seh'n,
so mager wie 'ne Katz.
Dies Denkmal, das kommt nach Berlin
auf den Pariser Platz.
Der aller härtester Marmor ward
für ihren Leib bestellt.
Hier steht sie mit Pariser Chic
und mit dem deutschen Geld.
Zwar etwas hüft- und wadel- los,
jedoch im ganzen tadellos,
noch immer ungebrochen
und ich bis auf die Knochen.
Jawohl, die Knochen sind so hart
bei diesem Monument,
dass es, wenn's irgend möglich wär,
den Stein erweichen könnt.
5.
(Bild 7)
Zwei edle Herrscher sieht man hier
auf wackeligem Thron,
hier Serbiens Peter – neben an
der Zar mit seinem Sohn.
Der Eine sagt: „Reich mir die Hand,
komm auf mein schloss mit mir.“
Der And're sagt: „In deinem Land
ist's grade so wie hier.“
Ach, hinter Russlands Väterchen
steht schon ein Attentäterchen –
und hinter Serbiens Peter
steht auch ein Attentäter.
Dies Denkmal wird solid gebaut,
vergittert obendrein –
denn so ein Monument für die
muss Bomben sicher sein.
6.
(Bild 8)
Für Isadora Duncan schaff
ich auch ein Denkmal an,
damit man auch noch später an
die Duncan denken kann.
Sie ist enthüllt – wird später nun
das Denkmal auch enthüllt,
dann kommen alle so wie Sie –
das gibt ein feines Bild.
(Bild 9)
auch für die träum'nde Tänzerin,
da stelle ich ein Denkmal hin.
Mir scheint, hier sind ja Braven
die Füße eingeschlafen.
Am Sockel unten, die Sie seh'n,
steht: „Magdalene G.,
Drum denkt sich jeder, der dies sieht:
O Magdalene, geh'!“
(Anm.: Wo die Schlaftänzerin Magdalene G. weniger bekannt ist, singt man zum Schluss.)
Am Sockel hier steht groß und breit:
O Schlaf mein Kindchen, schlaf!
Im schlafen tanzt die holde Maid,
wer's glaubt, der ist ein Schaf!
7.
(Bild 10)
Hier kann man August Bebel seh'n,
den „Vorwärts“ in der Hand.
Dies Denkmal wird vor'm roten Schloss
gebaut auf roten Sand.
„August der Starke“ nennt er sich,
er zieht zur Schlacht hinaus.
Der Singer hier – Stadthagen dort
sieht sprechend ähnlich aus.
(Bild 11)
Auch Pückler kriegt ein Monument,
hält um den Flegel seine Händ'.
Drum ruft man in der Regel:
„Da seh'n wir ja den Flegel.“
in der Berliner Jüdenstraß'
wird einst sein Denkmal steh'n.
Dort unten liest man: „Hab'n Sie nicht
den kleinen Cohn geseh'n?“
8.
(Bild 12)
Der Herr von Möller ist der Mann,
von jedermann gekannt.
Man sieht's ihm schon von weitem an,
dass er auf Kohlen stand.
Den schönen Posten ist er los,
nun denkt der lange Mann:
Das kommt davon – ich war zu,
drum stieß ich oben an.
(Bild 13)
Auch für den schönen Ferdinand
hab ich 'nen Marmorblock verwandt
jedoch ich blöder Schurke
dacht nicht an seine Gurke.
Der Marmorblock, der ist zu klein.
Deshalb wird ungesäumt
(Bild 14)
die Nase extra modelliert
und später angeleimt.
9.
(Bild 15)
Hier steht das Bülow-Monument –
er schaut nach oben hin.
den Büchmann hat er in der Hand,
das Grübchen in dem Kinn.
Vom ersten Kanzler ist bekannt,
dass er von Eisen war.
Hier passt kein Eisen und kein Stein,
das ist wohl Jedem klar.
Graf Bülow ist zu süß, zu sein –
sein Denkmal muss von Zucker sein,
drum kriegt der vierte Kanzler
ein Monument vom Kranzler.
(Oder: wo die Firma Kranzler nicht bekannt ist:)
Ein Denkmal, süß und lecker,
kriegt er vom Zuckerbäcker.
Da steht er nun so zuckersüß
und doch fest zugleich,
nur wenn die höchste Sonne scheint,
dann schmilzt er und wird weich.
10.
(Bild 16)
Aus Japan hat 'nen Auftrag ich –
der er mich kolossal.
Kuroki kriegt ein Denkmal dort,
der tapf're General.
Er zog mit seinem kühnen Heer
wohl auf den Bärenfang.
Er war der kleine David, der
den Goliath bezwang.
Und neben ihm wird aufgestellt
der Kuropatkin, dieser Held.
(Bild 17)
Hier steht der Kuropatkin –
der denkt: Kuroki packt ihn –
er schaute erst nach vorne hin,
jedoch, es ist zu dumm –
sobald er den Japaner sieht,
dreht er sich wieder um.
11.
Das letzte Monument erhält
ein Maler, weltbekannt.
Der Menzel kriegt's – sein Name bleibt
besteh'n im ganzen Land.
Den alten Fritz, den schaute er,
wie ihn kein and'rer sah
drum kommt sein Denkmal nicht nach hier,
nein, nach Amerika.
Dort steht der alte Fritz allein.
Das wird in Zukunft anders sein.
(Bild 18)
Denn vor dem alten Fritzen
macht Menzel seine Skizzen.
Dort steht er dann vergnügt und still
und lacht in sich hinein.
Nur bei dem großen Friedrich will
der kleine Menzel sein.