Willst du alt werden
Original-Couplet von Otto Reutter.
Teich/ Danner Nr. 257

1.
Alle Menschen möchten gerne alt werd'n,
Doch sie wolln’s, wenn möglich, nicht so bald werd’n.
Sie woll'n nicht hab’n, daß man von ihrem Alter spreche.
Sie hab’n dagegen ’ne gewisse Altersschwäche.
Drum erkläre ich jetzt groß und klein,
Wie man alt wird, ohne alt zu sein.

2.
Willst du alt werd’n, mußt du alles fein kau'n,
Mußt die Speisen alle kurz und klein kau’n,
Mußt beim Essen immer auf der Hut sein.
Für die Verdauung wird es riesig gut sein,
Wenn du, wenn du schmaus’t, stets darauf schaust,
Daß du, was du kaust, auch gut verdaust.

3.
Willst du alt werd’n, darfst du nicht so dick sein.
Mach’ dich dünne, denn das kann dein Glück sein.
Sei lebhaft, schnell, dann wirst du immer schlank sein.
Bei den Mädchen mußt du „mitten mang“ sein.
Sei Hahn im Korb, dann bleibst du dünn und nett,
Denn ein guter Hahn wird selten fett.

4.
Willst du alt werd’n, mußt du viel Gemüse essen,
Mußt Kraut und Rüben immer sehr präzise essen.
Ißt du aber lieber Rind' und Stier-Fleisch,
Dann schreib’ nach Rußland hin und kauf Gefrierfleisch —
Das stell’ aufs Feuer, denn das ist sehr kalt —
Und bis das warm wird, da wirste alt.

5.    
Willst du alt werd’n, darfst du    niemals baden gehn,
Denn ein Krampf könnt’ dir in die Waden gehn    —
Mußt Im Sommer fleißig an die Luft gehn
Und im Winter stets in warmer Kluft gehn —
Und wirst du krank, dann ruf’ nicht gleich den Arzt;
Es ist    oft viel gesünder, wenn    du wart’st.

6.    
Willst    du alt werd’n, darfst du nicht auf Reisen gehn,
Denn in fremden Betten schläft sich’s oft gar nicht schön.
Geh’ zum Kientopp rein — da machst du auch Bekanntschaft
Mit Italien, Schweiz und mancher äandern Landschaft —
Ziehst im Geiste In die Welt hinaus —
Und des Nachts schläfst du hübsch zu Haus.

7.
Willst du alt werd’n — und sitzt im Separee —
Nur nicht aufregen bei ’ner holden Fee.
Du kannst schließlich alles, was dir schmeckt, trinken.
Wenn dir kein Wasser schmeckt, dann kannst du Sekt trinken —
Und iß Hummern und auch Austern drauf —
Nur keinen Kaviar, denn der regt auf.

8.
Willst du alt werd’n, mußt du gut bei Kräften bleiben,
Mußt fern von Anstrengung und von Geschäften bleiben.
Macht dir die Arbeit einmal morgens kein Vergnügen,
Dann laß die Arbeit liegen und bleib’ selber liegen.
’s beste ist: bei Tage gar nichts tun —
Und des Nachts sich gründlich auszuruh’n.

9.    
Willst du alt werd’n — und du bist bald sechzig,
Dann hör* zu lieben auf — bedenke: so was rächt sich.
Darfst dann zu den Mädeln nicht mehr süß tun.
Hast du große Söhne, dann soll’n dle’s tun.
Stellst du als Vater nicht mehr deinen Mann,
Dann werde Großpapa — das strengt nicht an.

10.
Willst du alt werd’n, darfst du keine Sorgen haben.
Hast du kein Geld, mußt du Talent zum Borgen haben.
Du hast keinen Kummer durch das viele Borgen.
Nur das Wiedergeben macht die größten Sorgen.
Na — und da du keine Sorgen liebst,
Wärst du’n Rindvieh, wenn du’s wieder gibst

11.
Willst du alt werd’n, mußt du mit der Bahn fahr’n —
Doch du darfst nicht mit dem Aeroplan fahr’n —
Denn da kannst du sehr leicht auf dem Hund sein.
Du kannst kräftig, du kannst kerngesund sein,
Wenn du dich in deine Gondel stellst,
Das nützt dir gar nichts, wenn du runterfällst.

12.
Willst du alt werd’n, darfst du nicht nervös werden.
Nimm keine dünne Frau, die kann leicht bös werden.
Die ist hastig, flink, will alles seh’n und haschen.
Hast du mal’n Rendezvous, wird sie dich überraschen.
Doch ’ne dicke kommt nicht so vom Fleck,
Eh’ die dahinter kommt, da biste weg.

13.
Willst du alt werd’n, mußt du später reich sein.
Nimm ’ne reiche Witwe — ’s braucht nicht gleich sein.
Wenn sie schon Kinder hat, da braucht dir nichts dran lieg’n.
Was sie hat, das braucht sie nicht von dir zu krieg’n.
Überhaupt, wer'n Freund von Kindern is,
Der betracht’t das nicht als Hindernis.

14.
Willst du alt werd'n, mußt du guten Schlummer hab’n,
Darfst des Nachts keinen Liebeskummer hab’n,
Darfst nicht so heftig träumen von den süßen Mädchen.
Wenn die Liebesträume deinen Schlummer schäd’gen,
Daß vor Leidenschaft du überschäumst,
Dann laß dich wecken, eh’ du weiter träumst.

15.
Willst du alt werd’n, dann wird's das Beste sein,
Du bleibst ledig, mußt überhaupt nicht frei’n.
Kannst dich jedes Jahr verloben mit ’ner andern.
Bis zum Standesamte kannst du mit Ihr wandern.
Doch vor dem Standesamt, da sagst du: „Halt!"
Dann ärgert sie sich tot — und du wirst alt.

16.
Willst du alt werd’n, laß dir nichts von andern sagen —
Richt' dich ganz nach deinem eigenen Behagen.
Du kannst beim Wasser, kannst beim Saft der Reben bleiben,
Mußt nur gesund bleib’n und mußt am Leben bleiben.
Drum merk’ dir eines: Sterbe nicht so bald,
Dann bleibst du lange leb’n und du wirst alt.

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.