Wer lebt am längsten?
(Die 6 feindlichen Zecher.)
Original-Vortrag. Text und Melodie von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 282

1.
Es saßen vor kurzem im feindlichen Land
ein Engländer und ein Franzos' beieinand'.
Aus Japan, Italien, vom russischen Staat
und auch aus Rumänien kam ein Soldat.
Nun saßen die Sechse beim perlenden Wein,
Sie füllten vom Fass ihre Becher. –
„Wie kurz ist das Leben, könnt's länger nicht sein?“
Rief einer der biederen Zecher.
„Hast recht“ – schrie'n die andern – „so denken auch wir,
zu kurz ist die Freude, die Wonne“.
Da schwebte ein Engel herein zu der Tür
und setzte sich keck auf die Tonne.
Er sagte: „Ich hab euer Klagen gehört. –
Wie lang wollt ihr Leben? – Es sei gewährt!“

2.
Nun sprach der Rumäne: „Der Feind – das steht fest –
der hat unser Land nicht verschonet.
Er hat Bukarest – und wir hab'n nur den Rest –
oh, lebt ich, bis ihr uns belohnet!“
Da sagte der Engel: „Dein Wunsch sei erhört,
doch weiß ich wohl etwas, das länger währt!“ –

3.
Der Engländer sprach: „Wär' die Frist mir geschenkt,
bis wir dem Franzos' aus der Näh' sind –
und bis die Franzosen – die wir dort verdrängt –
von neuem die Herr'n in Calais sind.“
Da sagte der Engel: „Dein Wunsch sei erhört,
doch weiß ich noch etwas, das länger währt.“

4.
„O, lebt ich“ – hat nun der Japaner gesagt –
„Bis wir – die wir sonst nur stibitzen –
euch Bundesgenossen – wie's ihr euch gedacht –
auch mal durch die Tat unterstützen.“
Da sagte der Engel: „Dein Wunsch sei erhört,
doch weiß ich noch etwas, das länger währt!“

5.
Verschmitzt hat Italiens Soldaten nun gefragt:
„Könnt' leben solang ich – ich bitte –
bis Deutschland und Öst'reich von neuem mir sagt:
„Sei wieder im Bunde der Dritte!“
Da sagte der Engel: „Dein Wunsch sei erhört,
doch weiß ich noch etwas, das länger währt!“

6.
„Mein Land ist bestechlich!“ – Der Russe hat's gebrüllt –
„O, lebt' ich ohn' Sorgen und Ängsten
so lang', bis in Russland die Ehrlichkeit gilt,
denn: „Ehrlich währt immer am längsten!“
Da sagte der Engel: „Dein Wunsch sei erhört,
doch weiß ich noch etwas, das länger währt!“

7.
Zuletzt sprach der Franzmann: „Ich bin schon ein Greis
und lebe nicht mehr allzu gerne.
Drum wünsch' ich mir was, das recht nahe ich weiß,
ich schweif' nicht – wie ihr – in die Ferne!
Ich bin sehr bescheiden, ich wünsche nicht viel,
ich wünsch' ein ganz nahes, erreichbares Ziel.
Möcht' noch so lang' durchs Leben zieh'n,
bis dass wir einzieh'n in – Berlin. – –“
Da sprach der Engel: „Freue dich,
am längsten lebst du sicherlich!
Brauchst vor dem Tod nicht beben,
denn du wirst ewig leben!“

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