Wir hab'n 's erlebt – und es war schön.
Original-Couplet. Text und Melodie von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 310
1.
Wenn man so langsam in den Jahren ist,
Wo man bedeckt mit grauen Haaren ist
Und sich noch freut, daß sie noch am Platze sind,
Weil die doch besser, wie ne Glatze sind;
Wenn es nicht mehr so richtig vorwärts geht
Und wenn man lieber sitzt, als daß man steht
(setzt sich bei diesen Worten auf einen Stuhl)
Kurz: wenn man ungefähr so alt wie ich,
Kommt`s Alter langsam, aber sicherlich.
2.
Ob man dich alt hält, fühlst du bald heraus.
Sagt man zum Beispiel: „Sie seh'n glänzend aus!"
Das sagt man Ält'ren, wo der Glanz verweht,
Weil sich's bei Jüng'ren ganz von selbst versteht.
Sagt dir ein jüng'rer Freund: „Du, sei mal schlau!
Ich muß verreisen - acht' auf meine Frau,
Ob brav sie bleibt", dann spürest traurig du:
dir traut er, denn dir traut er nischt mehr zu.
3.
Stehst in der Bahn du und es sitzt vor dir
'ne hübsche Maid, du kokettierst mit ihr –
Und sie steht auf, sagt: „Bitte, ich kann stehn,“
und macht dir Platz, dann sagst du: “Danke schön!“
Die Passagiere schau'n dich lächelnd an,
Und du sitzt da als ein „gesetzter“ Mann
Und sie geht raus – und du guckst hinterher
Schön ist die Jugend, doch „Sie“ kommt nicht mehr.
4.
Wie alt du bist, das merkst du ganz genau,
naht dir in üpp'ger Bluse eine Frau.
Einst hast du räsoniert: „Zieh' aus, komm' ran!“
Heut' sagst du resigniert: „Behalt' se an!“
Küsst höchstens, wenn sie jung, die Stubenmaid,
spürst da vielleicht 'nen Hauch der Jugendzeit.
Doch, wenn du später deine Alte küsst,
dann, Freund, dann merkste erst, wie alt du bist.
5.
Bist du erst alt, dann schwindet Frauengunst,
Dann mußte zahl'n, dann hast du nichts umsunst,
Liebst du 'ne Junge, und wirst alt wie ich,
Vergißt sie dich – und dann vergißt sie sich.
Küß deine Frau – der bist du angenehm,
Ist sie auch nicht mehr jung – du hast`s bequem,
Sie ist zu Gegendiensten gern bereit
Und freut sich über jede Kleinigkeit.
6.
Das Alter macht dich mild und ausgesöhnt.
Dann hast du dich auch an die Frau gewöhnt.
Selbst ihre Fehler könn'n dich nicht mehr quäl'n,
Dir tät was fehl'n, wenn ihre Fehler fehl'n.
Zwar manchmal denkst du - und du schaust sie an:
"Nein, wie der Mensch sich doch verändern kann!
Wie konnt ich bloß" – – – Sei still und merke dir:
Sie denkt von dir genau wie du von ihr.
7.
Bist du erst alt, wirst sehr geachtet du,
denn mit der Bürde nimmt die Würde zu.
Dann bist du klug, du bist ein Geisteslicht.
Sie merken's alle, bloß du merkst es nicht.
Bist ernst und würdig – jeder schreibt's und spricht's.
Du brauchst nur älter werden – weiter nichts,
dann bist du weise – jeder spricht's und schreibt's.
Doch, was ein richt'ger Ochse ist, der bleibt's.
8.
Doch nun im Ernst, ich sprech' es offen aus:
Wir Alten hab'n der Jugend viel voraus.
Der Abend ist oft schöner als der Tag –
Bergab geht’s leichter, ohne Müh' und Plag'
Und dann - heut` jung zu sein, das tät`uns leid
Wir freu'n uns, daß wir alt in solcher Zeit – –
Und doch: Eins hält uns Alte heut' noch jung –
das ist – an früher - die Erinnerung.
9.
Ja, die Erinn'rung, die soll leben,
uns Alte stets aufs neu' erheben.
(Hierbei erhebt sich der Vortragende und singt nun mit jugendlichem Feuer weiter)
Ihr Jungen, hört's – und platzt vor Neid:
Wir waren jung in schön'rer Zeit,
uns war ein bess'res Los beschieden.
Wir lebten einfach und zufrieden.
Drum sag'n wir, wenn wir rückwärts seh'n:
„Wir hab'n 's erlebt - und es war schön!“
10.
So mancher lebt heut' vom Betrügen,
Er singt: „Das Bummeln macht Vergnügen."
Wir sangen einst in alter Zeit:
„Üb' immer Treu und Redlichkeit."
Uns war die Arbeit ein Vergnügen.
Wir waren davon nicht wegzukriegen.
Wir mußten zum Vergnügen gehn,
Wir hab'n 's erlebt - und es war schön!
11.
Einst prägte man Geld aus gold'nen Klumpen.
Heut' druckt man Scheine nur aus Lumpen -
Und weil so'n Schein aus Lumpen nur,
Kommt oft so'n Schein zum Lump retour.
Nimmt man so'n Dreckgeld aus den Taschen,
muß man nacher die Hände waschen.
Als man noch saub'res Geld geseh'n -
Wir hab'n 's erlebt - und es war schön!
12.
Einst sah man nachts die Lichter glänzen,
Da floh'n die dunklen Existenzen
Und wir nur tranken froh beim Licht,
Und sang'n: „Nach Hause gehn wir nicht."
Wir tranken's Bier um elf noch nicht aus.
Wir gingen aus - heut' geht das Licht aus,
dann hab'n Sie dunkles Bier zu stehn, -
Wir tranken's hell - und es war schön!
13.
Als man noch Nachts beim Glas des Wein's war,
Und früh um vier noch alles Eins war,
Man saß beim Mädel und rief aus:
„Bis früh um fünfe, süße Maus!"
Wenn man sie dann nach Hause brachte,
geschloss'ne Droschke – die fuhr sachte
mit Umweg - für 'ne Mark und zehn -
Wir hab'n 's erlebt - und es war schön!
14.
Wie schwierig ist's heut' für die meisten,
sich einen richt'gen Rausch zu leisten,
und hat man ihn – und sieht voll Schreck
die Rechnung an, dann ist er weg.
Da hat man's früher gut getroffen.
Für eine Mark war man be – – säuselt
und konnte kaum noch g'rade stehn,
wir hab'n 's erlebt – und es war schön!
15.
Als bill'ges Essen wir bekamen,
wenn wir mal Platz im Wirtshaus nahmen.
Das Essen kost'te, uns zum Heil,
nicht mehr, wie heut' das Gegenteil.
Das Tat fünf Pfenn'ge früher kosten –
dann war die Frau noch auf dem Posten
und sprach: „Herr Graf, sie woll'n schon gehn?“
Wir hab'n 's erlebt – und es war schön!
16.
Als man mit einem harten Taler
schon bei den Mädeln galt als Prahler,
man winkt damit 'ne Maid heran.
Die dachte nach und sah uns an –
und sie erwidert' unsre Triebe,
teils für den Taler, teils aus Liebe,
und sprach: „Is jut, dann woll'n wir jehn."
Wir hab'n 's erlebt - und es war schön!
17.
Wir liebten, als das Geld noch rund war
und als die Uniform noch bunt war.
War streng auch der Paradeschritt,
ging'n auch die Sozi's grade mit.
Wenn wir auch manchen Fehler fanden,
es war doch Disziplin vorhanden
und es war schneidig anzuseh'n.
Wir hab'n 's erlebt - und es war schön!
18.
Man will uns heut' 's Vermögen nehmen -
Da mögen sich die Jungen grämen.
Wir Alten halten - uns zum Glück -
Das Haupt-Vermögen doch zurück.
Holt doch 's Vermögen - unsertwegen –
Wir hab'n 's Erinnerungs-Vermögen
und das Vermögen bleibt bestehn.
Wir hab'n 's erlebt - und es war schön!
19.
Deshalb, ihr Söhne und ihr Enkel,
die ihr heut' sitzt bei Mumm und Henkel,
beklagt uns nicht – nein, platzt vor Neid –
wir waren jung in alter Zeit.
Wollt ihr sie auch, dann rührt die Glieder
und sorgt dafür, dann kommt sie wieder.
Dann wird's auch euch wie uns ergehn.
Wir hab'n 's erlebt - und es war schön!