Teich/Danner Nr.96

1. Für Sport schwärmt jeder auf der Erde -
der eine fährt Automobil,
ein Zweiter wieder sitzt zu Pferde,
bricht Hals und Beine vor dem Ziel.
Ein Dritter will nicht müßig bleiben
und rast auf dem Motorrad fort.
Man darf den Sport nicht übertreiben,
sonst wird so'n Sport der reine Mord.
Es gibt auch Menschen, die sehr kühn
Im Sommer in's Gebirge zieh'n.
Dort schwärmen sie nicht für Natur,
nein - sie riskier'n ihr Leben nur. ­
Die Menschen sind kuriose Leute!
Zu Hause haben sie's sehr fein.
Doch trotzdem zieh'n sie in die Weite,
sie kraxeln in's Gebirge 'rein.
Sie tun's oft, um zu renommieren,
denn 's ist für manchen kein Genuß,
wenn er die Berge 'raufmarschieren
und Ansichtskarten schreiben muß!

2. Ein Vater läßt den Sohn studieren,
obwohl er nur ein armer Mann, -
muß für den Sohn die Hände rühren,
auch Mutter sorgt, soviel sie kann.
Der Sohn, sehr brav und still und schüchtern,
sitzt eines Tag's im Kneiplokal, -
da kommt ein andrer, nicht ganz nüchtern
und macht dort ohne Grund Skandal,
und zwischen beiden - eins zwei drei -
entspinnt sich eine Streiterei.
Die Andern sagen auf der Stell':
„Die Ehre fordert ein Duell!“
Die Menschen sind kuriose Leute!
Die Ehre, die verlangt sehr viel, ­
man setzt nach 'nem geringen Streite
die ganze Zukunft auf das Spiel.
Ihr Leben müssen beide wagen -
und wenn vielleicht g'rad jener fällt,
der schuldlos war - man hört doch sagen:
„Nun ist die Ehre hergestellt!“

3. Ein jeder Herr wird eingestehen:
'ne Dame von der Haute volée
läßt sich des Morgens selten sehen,
da ist sie noch im Negligée.
Bis oben ist das Kleid geschlossen,
und trotzdem hat ein fremder Mann
des Morgens nie das Glück genossen,
daß er die Dame sehen kann.
Doch gibts des Abends einen Ball,
dann ist das stets ein and'rer Fall.
Da zeigt die Dame sich im Kleid
von größter Offenherzigkeit.
Die Menschen sind kuriose Leute!
Des Morgens darf sich niemand nah'n,
doch abends an des Tänzers Seite,
da leidet sie an Blößenwahn.
Er faßt sie um die Taille munter -
er ist sehr groß, sie etwas klein -
er beugt sich zu der Tänz'rin 'runter
und schaut ihr tief ins Herz hinein!

4. Wenn mal ein Krieger wird begraben,
bringt man ihn mit Musik hinaus
und alle, die gekannt ihn haben,
die wandern mit zum Friedhof 'raus.
Die Kameraden steh'n im Kreise,
die Glocke, die tönt dumpf und schwer,
die Musik spielt 'ne Trauerweise
und alles schluchzt und weint gar sehr.
Doch kaum, daß er im Grabe liegt,
sind alle wieder sehr vergnügt.
Froh treten sie den Heimweg an,
„Freut Euch des lebens“ spiel'n sie dann.
Die Menschen sind kuriose Leute!
Erst weinen sie sich kräftig aus -
und wandern nach dem Grabgeleite
sofort zum lust'gen Leichenschmaus.
Dort sitzen sie beim Saft der Reben
Und den, den sie BEGRABEN heut',
den lassen sie am HÖCHSTEN leben –
die Menschen sind kuriose Leut'!

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