Die Loreley

Eine Dialekt-Studie in Form eines Potpourris
von Otto Reutter

Teich/Danner Nr.137

„Ich weiß nicht was soll es bedeuten,“
ein jeder kennt wohl das Lied,
vom Fischer vor uralten Zeiten,
der oben die Jungfrau sieht.
Nun trafen sich jüngst auf der Reise,
viel fröhliche Männer am Rhein –
und jedem – auf eigene Weise –
fiel dann dieses Liedchen ein.

Was jeder gesprochen, das meld' ich sofort,
zuerst nahm ein biederer Bayer das Wort:

„Es sitzt eine Jungfrau auf'm Felsen am Rhein.
Als i das g'lesen hab, hab i glei 'dacht:
So a Jungfrau, die muß halt was Seltenes sein.
Drum hab'ns a G'dicht glei drauf g'macht.
I denk mir jetzt viel, doch i sag' halt koan Ton,
i glaub, dös könnt nimmermehr vorkommen heut'.
Denn die G'schicht mit der Jungfrau war damals ja schon
ein Märchen aus uralter Zeit.“

Aus Mecklenburg kam nun ein Bäuerlein dran,
das fing an zu mäkeln und sagte alsdann:

„I wat sall ick dorto spräken,
un mi noch den Kopp terbräken,
ob dat slecht was oder gaut,
hän is hän und daut  is daut (tot).
He fällt rin und se blift leben,
wat kann't do to snacken geben.
Do goht man to annern Männern,
ick sägg bloß: Ick kann't nich ännern.
(Gesprochen) Fertig!“

Ein Schwabe aus Stuttgart der ward nun gefragt,
was er davon halte, da hat er gesagt:

„Na wenn Sie wolle, da mach' ich halt auch a Witzle,
von dem Weible ob'n auf dem Felsenspitzle,
Es isch halt so und i sag's halt immer:
s' kommt alles her von de Frauenzimmer.
Da sitzt so e Weibsbild obe am Rhein,
und kämmt sich - na freilich, das Kämme muß sein,
aber se konnt' doch beim Kämme das Singe lasse,
Und braucht'n net von der Welle verschlinge lasse,
Aber so geht's halt, sobald de Weibsleut schrei'n,
werde de Männer verrückt – dann falle se nein,
D'Mannsleut müßte halt schalte und walte,
und d' Weibsleut' habbe das Maul zu halte.
(Gesprochen) Des isch mei Meinung! - Fertig!

Ein Rheinländer kam jetzt aus Köln an dem Rhing
der ließ sich nicht nöt'gen, er fing an zu sing'n:

Es fährt'n Fischer ob'm Rhing (Rhein)
da hört er eene Jungfrau singn,
„Wat maachste.“ säht er, „bist wohl jäck? (Übergeschnappt)
Dat Singen oben hat keen'n Zweck,
denn singen kannste unte ooch.“
"Ja", säht se, „aber nich so hoch.“
(Gesprochen) Dat stimmt! - Fertig!

Aus Preußen ein schneidiger Referendar,
der sprach kurz und bündig: „Die Sache ist klar.“
(Gesprochen – in recht blasiertem Tone)
Aber meine Herrschaften, die Sache ist ja sehr einfach:
Ein Fischer, froh und heiter,
sieht oben 'n Weib - nun freut er
sich sehr - er sucht 'ne Leiter,
möcht' rauf als ihr Begleiter.
Er plumpst in'n Rhein - nun schreit er -
sie kämmt sich ruhig weiter. Fertig!"

Ein Ungar – ich glaube, mit Mikosch verwandt –
war auch gleich mit eigener Meinung zur Hand:

„Aine Dome deren Hoor,
ihre ainz'ge Kleidung wor,
sitzt sich froh bai Obendschaine,
singt sich Lied von Hainrich Haine.
Do sogt Fischer: Es wär' nett,
loß uns singen ain Duett.
Ober dos hot schlecht geklungen,
sie hot viel zu hoch gesungen.
und dos Fischer, wos ertrunken,
hot sich viel zu tief gesunken.“
(Der Pianist oder die Orchestermusiker schreien hierauf: Au!)

Ein sehr stolzer Herr von Hannover'schen Land,
der sprach selbstverständlich mit sehr viel Verstand:
(das St wird recht scharf und spitz gesprochen. Der Vokal A wird, wie es in Hannover üblich, mehr wie Ä ausgesprochen. Die Musik begleitet die nachfolgenden setze in charakteristischer Weise.)
Die Säche ist zwär sehr fätäl,
aber es ist mir schließlich gänz egäl,
auf einen Felsen spitz und schmäl,
singt ne' Jungrau 'nen Choräl,
Der Fischer im tiefen Täl,
der sagt zu ihr voll Liebesquäl,
"Du bist das Mädchen meiner Wähl,
ich liebe dich ganz kolosäl"
„Dä singt sie 'n letzten Vers noch mäl,
und er fällt rein in den Känäl,
(gesprochen) - Stimmt!

Ein bildhübscher Leutnant war auch bei den Herr'n,
er wollt zwar nicht singen, er sprach dafür gern:
(im Leutnants-Jargon gesprochen)

"Äh! Die Lorelei da oben,
jawohl, die muß ich loben,
Doch nicht den Fischerknaben,
der laß sich man bejraben.
Wie kann der Mensch so reinfall'n?
Äh! - Könnt' mir doch gar nicht einfall'n,
Hätt' die vom Felsensockel
mich da so mit Monokel
jeseh'n un mit'n Orden,
Wär' die doch baff jeworden.
Ich wär' nich hinjeschwomm'n –
die wär' zu mir jekomm'n!
Ich hätt' ihr dann frohlock'nd,
die Haare abjetrock'nd,
und dann -äh!- beim Küsseknallen
Wär' die doch 'reinjefallen –
Aber jründlich - Fertig!"

Herr Itzig aus Polen kam nun an die Reih'
Er sprach "Wenn se wünschen, da bin ich so frai!"
(Jüdelnd)
„Es sitzt am Rhaine, beim Abendschaine,a Jungfrau auf'm Felsen –
E Liedchen singt 'se, nen Fischer winkt 'se – Warüm?
Na vielleich will'sen (will sie ihn),
Wär's mir passiert, ich sag's ungeniert: Was soll das Heruntergegucke?
Was machste, was treibste? Kimm runter, wo blaibste?
biste krank oder biste meschugge? (verrückt)
Und sollt'ste vom Felse nicht runter derfen,
Na, dann kannste mir wenigstens 'n gold'nen Kamm runterwerfen!
Fertig!“

Herr Bliemchen aus Sachsen der sprach nun: „Wie wär'sch?
Wenn sie gietigst erloob'n, mach ich ooch noch e Versch:

„Die Loreley, die hat e Gamm,
in ihren Händen hat's –
Nu gämmt se sich – warum ooch nich?
Se gann sich doch nicht kratz'n!
Sie gämmt sich nun dagaus, dagein -
warum dut das das Mägdelein?
Ich will nischt sag'n, doch mir fällt ein:
Ich war mal uff der Reise,
wie mir'sch da ging, das sag' ich nich –
stets gämmte meine Haare ich.
Aus diesen Grunde, gloobe ich,
gämmt ooch de Loreley se.

Nun kam ein Berliner, der sprach voll Verdruß:
„Jetz halt't mal die Klappe, ick mach jetzt'n Schluß:

Uff eenen Felsen setzt se sich, (Zwischenspiel)
ob se heut noch dasitzt, weeß ick nich, (Zwischenspiel)
de jold'nen Haare kämmt se sich, (Zwischenspiel)
ob se se heut' noch hat, det weeß ick nich (Zwischenspiel)
stolz nennt se eene Jungfrau sich, (Zwischenspiel)
ob det heut noch stimmt, det weeß ick nich.“ (Zwischenspiel)
(gesprochen) Na, da war'n sie alle fertig!

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