Muß man denn ins Ausland reisen?
Original-Vortrag, Text und Melodie von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 378
(Die einzelnen Dialekte sind hier nur in groben Umrissen angedeutet. Auch beim Vortrag genügt es, wenn nur die markantesten Eingetümlichkeiten des jeweiligen Dialekts hervorgehoben werden.)
1.
Gern ins Ausland reist der Deutsche,
er verbringt die Ferien da,
schweift zu gerne in die Ferne, --
und das Gute liegt so nah.
Kannst auch in der Heimat reisen!
Schon die Urmark ist zu preisen:
Brandenburch (soll heißen: Brandenburg) am Havelstrande,
jrünes Land auf weißem Sande.
’s herrscht ein fröhlicher Verkehr da,
dicht bewohnt ist’s Havelland -
Häuser steh’n wie Sand am Meer da,
bloß sie steh’n da mehr am Sand.
2.
Muß man denn ins Ausland reisen?
Schau den Hoorz (Harz) voll Poesie.
und ganz korz, glich hingerm Horze
läht doch 's Eichsfeld dichte bi.
Kannst auch nach Hannover fähren,
därfst den Späß, dir nicht erspären,
stehst auf staunend am Kanäle,
gehst spazier'n zum Lindentäle -
Grüßt de Däm' - die sind da spröde,
strotzen älle von Moräl -
wenn du eine küßt, sägt jede:
„Gräde heut' ist's erste Mäl"
3.
Muß man denn ins Ausland reisen?
Hat nicht Sachsen seinen Reiz?
Gann dich Dräsden denn nich dresten,
Weißer Härsch und Sächs’sche Schweiz?
Und die große Seestadt Leipzig -
sucht man da geen'n Zeitvertreib sich?
Man drinkt "Gose" - man bekneipt sich,
drückt e Weib sich - an den Leib sich.
Ja, die Frau'n dort, - scheen gewachsen -
kissen sieß, ob alt, ob jung.
Jeder Jingling griegt in Sachsen
„sachsuelle" Aufglärung.
4.
Muß man denn ins Ausland reisen?
Is dir nich et Rheinland fremd?
Wo man Wein trinkt, wo der Rhein blinkt,
wo die Lorelei sich kämmt?
Wo der Tünnes und der Schäl is,
wo so mänche jecke Keel [verrückter Kerl] is,
wo man singt beim Saft der Reben:
„Nur am Rhein, da möcht' ich leben!"
Muß man da ins Ausland gehen?
Die Besatzung schau' am Rhein,
kannst noch hück (noch heut') Ausländer sehen -
soviel brauch'n et jar nich sein.
5.
Muss man denn ins Ausland reisen?
`s Bade-Ländle, `s Schwäble-Reich
is doch auch scheen, des muscht auch seh'n -
da muscht hinfahr', aber gleich.
Kannscht der Schwarzwald dir betrachte,
Karlsruh' isch nit zu verachte.
Heidelberg kann auch nix schade -
kannscht in Bade-Bade bade -
Fährscht nach Friedrichshafe, wo de
mit dem Zepp'lin steigscht in d’ Höh'
und denkscht: Wenn i auf de Bode
seh, seh' ich der Bodesee.
6.
Muß man denn ins Ausland reisen?
Wenn ich nun von Hamborg s-prech?
Wer die Hanse-S-tadt sich ansah,
ist doch auch zufrieden, nech?
Jungferns-tieg, Sankt-Pauli-Rummel,
Alster, Elbe, Hummel-Hummel --
und das ganze Schiffahrtstreiben –
ja, da gibt’s kein S-tehenbleiben - -
Bismarck schaut als Roland nieder
und hä sächt mit frohem Maut:
„Kinners, mookt dat man so wider,
dann wärd allens wedder gaut."
7.
Muß man denn ins Ausland reisen?
Frankfort is doch aach net schlecht.
Ariadne - Palmengadde,
`s Haus vom Geede (Goethe), ahid un echt.
Un vom Rothschild, dem bekannten,
trifft man aach noch viel Verwandte -
un`de Bärs (Börse), 's is net geloge -
voller wie die Synagoge - - -
Und in Thüring`n, da liecht Waimar. (Das a ist recht gedehnt auszusprechen)
Da ist`s frailich wunderbar -
Wenn in Waimar man im Mai war,
frait man sich doch 's ganze Jahr - - -
(recht langsam hinzusetzen)
wai mar mal in Waimar war.
8.
Muß man denn ins Ausland reisen?
Astpreißen (Ostpreussen) ist auch kein Quark -
solche Reisen mußte preisen:
Tilsit, Eylau, Kenigsbarg -
nach Astelbien mußte laufen,
mußte e Rittergut dir kaufen,
`s gibt da grauße Landerstracken,
kannst dein Jald im Drack verstacken -
hast im Harbste daine Freide:
wenn de alles eingerafft,
dann verkaufst du dein Getreide
und - schimpfst auf die Landwirtschaft.
9.
Muß man denn ins Ausland reisen?
Steht nach Bayern nicht dein Sinn?
Ja, die Leit dort ham a Freid dort,
da bist schon im Ausland drin -
Kriegst in Nürnberg große Haxerln,
zum Gebirg' kannst aufiekraxerln.
Bei der Kirchweih', da kannst raufen -
und im Hofbräuhaus kannst saufen -
Hast zum Schluß du nix zum beißen,
geht dir 's Geld zur Heimfahrt aus,
dann sag' nur, du bist aus Preißen,
da fliegst schon von selber raus.
10.
Muß man denn ins Ausland reisen?
Hat Berlin denn Konkurrenz?
Mit die Landschaft mach' Bekanntschaft:
Resedenz und Intell'jenz.
Wo der Kreuzberg unter dir is, (seine geringe Höhe andeutend)
wo im Tiergarten keen Tier is,
wo de Panke ohne Strom is,
wo im Jrunewald keen Boom is. -
Passt et dir nich Untern Linden,
kannste nach dem Westen jehn -
kannst da alle Völker finden -
kannst ooch mal`n Berliner seh'n.
11.
Muß man denn ins Ausland reisen?
Ist Westfalen nicht chanz fein?
Brukst in Mäcklenborg du mäkeln?
Muß grad Hesse hässlich sein?
Fahr' a brinkel ook nach Schlesien -
bist ook da schon mal gewesien? - -
Fahr nur fort, in höchsten Weisen,
Auslandsreisen nur zu preisen -
Singst doch schließlich andre Lieder,
fern, von Sehnsucht übermannt:
„Nach der Heimat möchte` ich wieder,
nach dem teuren Vaterland!“