Immer weiter – – –
ein Lebensbild
Text und Melodie von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 194

1.
Ach, was sind wir dumme Leute -
wir genießen nie das Heute.
Unser ganzes Menschenleben
Ist ein Hasten, ist ein Streben,
Ist ein Bangen, ist ein Sorgen —
Heute denkt man schon an morgen,
Morgen an die spät're Zeit -
Und kein Mensch genießt das Heut,
Auf des Lebens Stufenleiter
Eilt man weiter, immer weiter – – –

2.
Ja, wir leben zu geschwind heut' –
Viel zu schnell entflieht die Kindheit –
Schon der Knabe in der Schule
Sitzt nervös auf seinem Stuhle –
Von der Fibel wird ihm übel –
Nur mit Sträuben lernt er schreiben,
Und am liebsten möcht er raus
Aus dem schönen Elternhaus,
Denn er glaubt, es sei gescheiter,
Immer weiter, immer weiter – – –

3.
Kommt er später in die Lehre,
denkt die halberwachsne Göre,
wenn ich blos erst größer wäre,
als Soldat beim Militäre,
Ist er aber dann Rekrute,
Ei wie wird ihm da zu Mute,
Ja da singt er and`re Lieder:
"Nach der Heimat möcht ich wieder!"
wär blos erst einmal Gefreiter -
und dann weiter, immer weiter -

Version B
Ist die Schulzeit dann zu Ende,
Steht er an der Lebenswende –
Dünkt sich groß wie irgend einer, –
Wird als Lehrling sehr bald kleiner; –
Wird gepufft und angepfiffen,
Bis er endlich hat begriffen,
Daß man nur durch Fleiß und Streben
Sich behaupten kann im Leben. –
Und sein Pflichtenkreis wird breiter –
Immer weiter, immer weiter – – –

4.
(Ist vom Militär er eben)
Ist er Anfang zwanzig eben,
denkt er schon ans Eheleben.
Ja, in einem Tanzlokale
Siehe er sie zum ersten Male -
Und am Abend bringt er's Liebchen
Schon nach Haus bis vor ihr Stübchen.
Hold errötend sagt die Maid:
„Junger Mann, Sie gehn zu weit!“
Doch trotzdem geht der Begleiter
Immer weiter, immer weiter — – –

5.
Er, noch ganz erhitzt vom Tanze,
Sagt zu ihr: „Ich geh aufs Ganze!“
Immer näher kommt zur Maid er —
Sie rückt weiter, immer weiter.
„Komm“, sagt er „'s ist nicht gefährlich
Wirst mein Weibchen brav und ehrlich
In sechs Wochen bist du mein“ -
Und er küßt das Mägdelein.
Und nun sagt sie froh und heiter:
„Küsse weiter, immer weiter“ — – –

6.
Ja, nun zählt er die Sekunden
Bis man ihn mit ihr verbunden.
Ist das nicht ein toller Einfall?
's hat doch Zeit mit Reinfall!
Er nimmt die geknickte Lilie.
Bald vermehrt sich die Familie,
Und nach kurzem hat er schon
Auf dem Schoß den ersten Sohn.
Erst kommt einer - dann ein zweiter -
und so weiter, immer weiter - – –

7.
Version A

Nun beginnt erst recht das Plagen.
Oft hört man die beiden sagen:
"Wenn wir nur die Sorgen los sind,
wenn die Kinder blos erst groß sind.
Und , sieh`da, `s  geht wie am Dräthchen
bald verlobt sich`s ältste Mädchen
Und Papa im schnellen Lauf
Zählt die schöne Mitgift aus
Und der Schwiegersohn sagt heiter
zähl`n se weiter, immer weiter- – –

Version B
Nun beginnt erst recht das Plagen.
Oft hört man die beiden sagen:
"Wenn wir nur die Sorgen los sind,
wenn die Kinder blos erst groß sind.
Dann strahlt uns der Himmel heiter.«
Und sie schaffen immer weiter.
Lassen blind beim Vorwärtsgehn
Ihres Lebens Rosen stehn.
Suchen Tausendgüldenkräuter
Immer weiter, immer weiter- – –

8.
So entflieht die Zeit wie'n Traum
Und die beiden merken's kaum - –
Erst verheiraten sie ihr Mariechen,
Dann verlohn sie ihr Sophiechen,
Dann kommt Walter zur Marine.
Dann lernt Englisch die Pauline -
Dann macht Wilhelm sein Examen -
Dann komm'n noch zwei junge Damen -
Eine sechzehn - eine vierzehn -
Das kost't Kleider, Hüte, Schürzen,
Um die richtig auszustatten
Für den künft'gen Mann und Gatten.
Niemals weiß man, wie man dran ist.
Nie gibt's Ruhe - nie gibt's Frieden -
Wenn die eine an den Mann ist,
Ist die and're schon geschieden.
Wenn die Jüngste noch zu haben.
Hat die Ält'ste schon 'nen Knaben,
Erst kommt einer - dann ein zweiter
Und so weiter - immer weiter- – –

9.
Sehn Sie, so entfliehn die Jahre.
Großpapa hat weiße Haare -
Und der Mondschein zieht sich breiter
Immer weiter, immer weiter-
Und er denkt sich: „Schön der Mai ist,
Sieht man erst, wenn er vorbei ist.“
„Ach, wir waren blind“, so klagt er
Und zu seinem Enkel sagt er:
„Nutz' den Frühling deines Lebens,
Leb im Sommer nicht vergebens,
Denn gar bald stehst du im Herbste,
Bis der Winter kommt, dann sterbste -
Und die Welt geht trotzdem heiter
Immer weiter.“ – – – –

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