’s wird ja langweilig mit der Zeit!
Original-Couplet. Text und Melodie von Otto Reutter
Teich/Danner Nr.268

1.
Wird der Mensch siebzig oder achtzig,
ja, dann sagt er mit Wohlbedacht sich:
„Lauf schon lang auf der Welt umher –
doch sie bietet nichts Neues mehr.
Ewig wechselt im Weltgetriebe
Armut, Reichtum und Haß und Liebe –
’n bißchen Freud und ein bißchen Leid –
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“
 
2.
Wenn wir heut' mal die Zeitung lesen,
dann ist alles schon da gewesen:
Raub und Mord – Streiken überall –
Sufragetten und Unglücksfall.
Welfenfrage und Kanzlerkrise –
neue Schulden von der Luise –
und am Balkan ein neuer Streit –
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!

3.
 Sitzt ein Jüngling beim Kerzenschimmer
bei dem Liebchen allein im Zimmer –
und er schwört ihr die ew’ge Treu',
denn die Liebe ist ihm noch neu.
Später denkt er: „Ich halt’ die Treue
einen Monat, auch zweie, dreie –
aber immer dieselbe Maid,
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“
 
4.
's gibt im Reichstag oft große Fehde –
Bassermann hält 'ne große Rede.
Der Herr Erzberger spricht noch mehr.
Ledebur macht die Bude leer.
Alles schleicht aus dem Parlamente.
Schließlich sagt ihm der Präsidente:
„Sie und ich sind die einz'gen Leut',
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“

5.
Lebemann nach der neuesten Mode –
kommt zum Himmel nach seinem Tode.
Erst gefällt’s ihm da oben sehr,
aber bald seufzt er tief und schwer:
„Möchte gern wieder ’n schwaches Stündchen
unten lieben und unten sünd'gen!
Immerzu ew’ge Seligkeit:
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“
 
6.
Sitzt ein Laubfrosch im Wetterglase –
Ja, dort sitzt er und rümpft die Nase –
und er murmelt betrübt und dumpf:
„Warum ließ man mich nicht im Sumpf?
Sitz’ hier einsam auf meiner Leiter –
steig’ hinauf, wenn der Himmel heiter,
steige runter, wenn’s friert und schneit –
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“
 
7.
Sprang ein Löwe mal aus dem Wagen –
Auf den Straßen begann ein Jagen –
und ein Schutzmann schoß auf den Leu
von halb zwölf bis dreiviertel drei.
Und der Leu – ohne Bitternisse -
längst wieder im Wagen, zählt die Schüsse –
„Hundertsechzig“, gähnt er beiseit’ –
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“
 
8.
Eine Frau freite ’nen Gelehrten –
doch die Küsse, die vielbegehrten,
blieben aus, denn er dacht’ – wie dumm –
immer nur an sein Studium –
kam nur selten zu ihr ein bißchen –
braucht’ ’ne Stunde zu einem Küßchen –
Sie sprach: „Laß man, bist zu zerstreut –
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“

9.
Die Otéro, die ewig neue,
geht schon vielen die ew'ge Treue,
hat verlobt sich – er sprach zu ihr:
„Eh' wir frei'n, beichte alles mir.“
Sie fing an – sprach ganz unumwunden – –
er sprach seufzend nach sechs, acht Stunden:
„Lass Sie ruh'n , die Vergangenheit.
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“
 
10.
’s kommt ein Eh’mann sehr spät nach Hause –
seine Gattin schimpft ohne Pause –
allen Nachbarn wird’s angst und bang.
Er denkt: „Rutsch mir den Buckel lang!“
Endlos währt die Gardinenpredigt.
„Höre auf“, brummt er, „’s ist erledigt“ –
legt sich rum auf die andre Seit’,
„’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“

11.
Bei dem Blusen von unsern Frauen
kann die Knöpfe man hinten schauen.
Manche Frau sagt kokett zu Mann,
„Knöpf' Sie auf, denn ich kann nicht ran.“
Ist Sie jung, tut's der Mann sehr gerne –
ist sie alt, ruft er aus der Ferne:
„Fünfzig Knöpfe an einem Kleid –
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“

12.
überall, wo's 'nen leeren Saal gibt,
Wett' ich drauf, dass man „Parsifal“ gibt.
Wo man hin kommt, stellt sich jetzt vor
„Durch Mitleid wissend, der reine Tor.“
Ach, bald rufen wir jedenfalls aus:
„Diese Oper wächst uns zum Hals raus
geh zurück, bitte, nach Bayreuth!
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“
 
13.
’s gibt Denkmäler, ’nen ganzen Posten –
hoch im Norden und tief im Osten.
Selbst im Schatten des kühlen Wald’s
steht der Jäger aus der Kurpfalz.
Wo in Deutschland ein Platz mal leer ist,
was doch schließlich noch kein Malheur ist,
ward ein Denkmal hineingeweiht.
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!

14.
Englands „King“, Eduard Siebte,
der Paris über alles liebte –
kriegt ein Denkmal am Boulevard,
schaut herab auf die Mädchenschar.
Sieht manch Mädchen vorüber wandern –
küsste ihn einst, jetzt küsst sie'n andern –
„So allein hier“, denkt er voll Neid,
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“

15.
Ein Kadett so von siebzehn Jährchen
kommt auf Urlaub – liegt wie ein Märchen –
„Alle Dam'n“, schreibt er, „sind mir jut.
Montags Trudchen – am Dienstag Ruth –
Mittwoch Dorchen – Tags darauf Susannchen –
Freitags Lorchen – am Samstag Hannchen –
Sonntags Käte und Adelheid –
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“

16.
In Marienbad ein Herr aus Leipzig
hat gejammert und hielt den Leib sich:
„Bin zu dick und ich mach' die Kur.
Darum loof' ich in eener Tour.
Dir stets in een stilles Kläuschen –
aber kaum bin ich aus dem Häuschen,
da ist's schon wieder einmal so weit.
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“

17.
's geht ein Prediger ins Gefängnis,
tröstet alle, die in Bedrängnis.
Zu 'nem Strolch sagt er feierlich:
„Wenn du auskommst, dann bess're Dich!“
Doch der sagt: „Nur nicht überschwänglich,
denn ich habe ja lebenslänglich
und ick sitze hier erst seit heut'.
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“

18.
Manches Mädchen von heutzutage
seufzt: „Der Tango, der macht mir Plage –
Walzer, Polka gefiel mir sehr.
Beim Galopp flog man froh umher.
Heute will sich kein Tänzer drehen.
Wo er steht, bleibt er einfach stehen,
stößt nicht nur mit dem Knie vors Kleid –
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“

19.
Eulenburg, den Mann halb vergessen,
ist im Schlosse betrübt „gesessen“.
Ich ging zu ihm – er sprach zu mir:
„Warum lässt man mich ewig hier?
Niemand holt mich“, so sprach er traurig.
„Auf die neue Verhandlung laur' ich –
wart' sechs Jahr' schon auf meinen Eid.
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“

20.
Auf den Frieden kann man nicht bauen.
Dem John Bull ist nicht recht zu trauen.
Nach Revanch' kräht der gall'sche Hahn
schon seit siebzig – der falsche Hahn! –
Auch der Russ' wetzt schon lang die Sichel –
und gemütlich frägt nun der Michel:
„Seid ihr immer noch nicht so weit?
’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“
 
21.
Mein Couplet zog sich in die Länge.
Wenn noch länger mein Lied erklänge,
ach, dann würden – das wär’ nicht schön –
manche gähnen, und manche geh’n –
Der Effekt wäre sehr blamabel,
drum ist’s besser, ich halt’ den Schnabel,
denn sonst denken vielleicht die Leut’:
„’s wird ja langweilig, ’s wird ja langweilig,
’s wird ja langweilig mit der Zeit!“

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