... und dadurch gleicht sich alles wieder aus
Original-Couplet von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 355
1.
Es gleicht sich alles wieder aus im Leben —
Man preist zum Beispiel oft die früh're Zeit;
Es heißt, da hat es höhern Lohn gegeben,
Und alles war viel bill'ger als wie heut'.
Ich find' die heut'ge Zeit bedeutend feiner,
Zwar komm'n wir aus der Teuerung gar nicht raus,
Doch dafür ist der Lohn bedeutend kleiner, —
Und dadurch gleicht sich alles wieder aus.
2.
Es merkt 'ne Frau: ihr Mann hat sich gewandelt,
Seitdem er ihre Zimmermaid verehrt.
Drum hat mit sein'm Schofför sie angebandelt,
Fährt der Schofför sie, ist sie „eschoffört".
Sie macht oft Touren mit dem süßen Manne,
Ihr Gatte bleibt daheim bei seiner Maus —
Und während er sie küßt, hab'n die 'ne Panne
Und dadurch gleicht sich alles wieder aus.
3.
Von Glanz und Reichtum viele Menschen träumen,
's wohnt' Bell-Etage einst ein reicher Mann —
Da ward er arm, mußt' seine Wohnung räumen
Und zog bescheiden immer höher dann.
Jetzt wohnt er in 'ner Dachstub' und sagt munter:
„Erst wohnt' ich unten und kam hoch hinaus,
Jetzt wohn' ich hoch und trotzdem kam ich runter
Und dadurch gleicht sich alles wieder aus."
4.
Herr Franke hat 'ne Frau, die schon bei Jahren,
Indes Freund Klaus noch Junggeselle war.
Sie trafen, als sie mal im Wirtshaus waren,
Drei hübsche Mädel fröhlich an der Bar.
Herr Klaus macht mit den Damen schnell bekannt sich,
Freund Franke warnt ihn — „Bitte sehr", sagt Klaus,
„Dein Weib ist sechzig, ich hab' drei à zwanzig
Und dadurch gleicht sich alles wieder aus."
5.
So manche Leute loben sehr das Heute.
Sie sag'n: „Am schönsten ist 'ne Republik."
Doch auch fürs Gestern schwärmen diese Leute,
Geschäftlich kenn'n sie keine Politik.
Manch Filmautor zum Beispiel schimpft auf „Willem".
Er sagt: „Die Monarchie ist mir ein Graus" —
Und dreht dabei 'nen Fridericus-Fillem —
Und dadurch gleicht sich alles wieder aus.
6.
's gibt Räuber, Mörder jetzt, wohin wir schauen,
Doch manchen Schuft, den fängt man leider nicht.
Ich frug 'nen Schutzmann: „Sag'n Sie, im Vertrauen,
Steht schon der letzte Räuber vor Gericht?"
„Nee," sagte er, indem er sich verschnaufte,
„Doch eben holt' ich Koofmann Koch'n raus,
Weil 'n Hering er nach Ladenschluß verkaufte
Und dadurch gleicht sich alles wieder aus."
7.
's ist gut, daß die Geschmäcker so verschieden.
Der eine schwärmt für Goethe und für Kleist,
Der zweite ist im Kientopp schon zufrieden,
Wo Asta Nielsen ihm das Herz zerreißt.
Dem dritten klingt 'ne Oper in den Ohren,
Der vierte pfeift auf Wagner und auf Strauß,
Der hat sein Herz in Heidelberg verloren
Und dadurch gleicht sich alles wieder aus.
8.
In Streit geraten ist ein Ehepärchen,
Sie sitzen mürrisch, schauen sich nicht an.
Ihr kluger Knirps, ein Bengel von sechs Jährchen,
Geht schmeichelnd, streichelnd, zu den beiden ran.
„Was zankt ihr euch, ihr müßt euch zärtlich zeigen
Gebt euch 'nen Kuß, ich geh' so lange raus" — —
Er geht — die küssen und der Rest ist Schweigen
Und dadurch gleicht sich alles wieder aus.
9.
Einst konnten wir mit Scheinen renommieren,
Die Inflation hatt' jeden reich gemacht.
Da kam Herr Schacht — aus war's mit den Papieren,
Sie sind versunken in dem tiefen "Schacht".
Erst hab'n wir sie von hinten rum bek o m m e n,
Jetzt merken wir: 's kommt nichts dabei heraus —
Nun werden sie von hintenrum ge n o m m e n
Und dadurch gleicht sich alles wieder aus.
10.
Ein alter Maler hat ein junges Weibchen —
Amalie heißt sie — fährt mit ihr ans Meer.
Malt dort die Küste, schaut nicht auf sein Täubchen
Da kommt ein Junger zu Amalie her.
Der Alte malt, denkt nur ans Ideale,
Der Junge küßt und denkt beim Liebesschmaus:
„Du malst die Küste und ich küß' die Male
Und dadurch gleicht sich alles wieder aus."
11.
Manch Mädchen kann die Stadtluft nicht vertragen.
Erst küßt sie, liebt sie, fühlt sich frisch und bon,
Dann wird sie blaß, spürt manches Unbehagen
Und kommt allmählich ganz aus der Fagon.
„Das macht die Stadtluft," sagen die Doktoren —
Drum schicken sie die Maid aufs Land hinaus.
Da wird sie wieder frisch, wie neugeboren,
Und dadurch gleicht sich alles wieder aus.
12.
Ein Kind erlangt sein Leben durch zwei Leute,
Die nennt man Eltern, weil sie älter sind,
Doch grad die Jünger'n, unsre Kinder heute,
Die altern früh — sie leben zu geschwind';
Die Jüngern altern schneller als die Eltern,
Drum komm'n die Eltern wie die Jüngern raus,
Und dafür sind die Jüngern heut' die Ältern
Und dadurch gleicht sich alles wieder aus.
13.
Zum Heiratsmakler ist ein Mann gekommen,
Beschaut 'ne Braut, die der auf Lager hat.
Sagt, als er's Bild in Augenschein genommen:
„Die Dame scheint mir vorne etwas glatt."
Der Makler sagt: „Nun mach' bloß keine Finten!
Dafür ist doch der Rücken ziemlich kraus.
Was ihr von vorne fehlt, das hat sie hinten,
Und dadurch gleicht sich alles wieder aus."
14.
Mich foppen manchmal. Leute boshaft, heiter:
„Sie möchten gerne wohl Fritz Reuter sein ?
Sie sind mit zwei „t" nicht der zweite Reuter." — -
Daß ich das nicht bin, weiß ich ganz allein.
Jedoch ein Vorteil freut mich ganz unbändig:
Was nützt dem Fritz sein Ruhm im stillen Haus —
Der ist unsterblich — ich bin noch lebendig —
Und dadurch gleicht sich alles wieder aus.
(Diese Strophe ist selbstverständlich nur für den Verfasser zum Vortrag gedacht)
15.
Zwei Boxer ringen — jedermann beschaut se,
Der eine war ganz mächtig in Facon.
Er haut dem andern links eins in die Schn - - eidezähne,
Das war direkt der Schlager der Saison.
Der andre stöhnt — ihn schmerzt der Schlag, der kesse,
Sein Mund steht schief, er kriegt kein Wort mehr raus,
Da kriegt er auch von rechts eins in die F — — Visage
Und dadurch gleicht sich alles wieder aus.
16.
Zur Kraft, zur Schönheit zeigt man neue Wege —
Einst waren wir voll Kraft, die Frauen schön,
jetzt dräng'n die Frauen uns aus dem Gehege,
Man kann sie ringen, schwimmen, boxen seh'n.
Dadurch ist manche Frau nicht mehr so schön heut' —
W i r pflegen uns und schonen uns zu Haus' —
Jetzt gehn d i e'n Weg zur Kraft — und w i r zur Schönheit —
Und dadurch gleicht sich alles wieder aus.