Kuropatkin, General Rückwärts.

Original-Potpourri von Otto Reutter

Teich/Danner Nr.153

(Anmerkung: Die Piece ist derart eingerichtet, dass sie auch nach Beendigung des Krieges mit gleichen Erfolg vorgetragen werden kann)

(Der Vortragende kommt nach dem Tempo der Musik rückwärts auf die Bühne)

Ich komme jetzt rückwärts zur Bühne heraus.
Wie dumm!
Da ruft vielleicht mancher im Saale hier aus:
„Warum?“
Ich bin Kuropatkin, der russ'sche Gen'ral.
Darum kam ich rückwärts hinein in den Saal.
Ich werde – das ist wohl bekannt –
der „General Rückwärts“ genannt.

O alte Russenherrlichkeit,
wohin bist du entschwunden!
Wie mächtig einst – wie schofel heut,
zerrissen und verschwunden.
Wie schön ist's, wenn man alles hat,
wie schlecht, wenn man den Dalles hat.
O Jerum, Jerum, Jerum!
(Dreht die leeren Taschen um.)
Uns fehlt's am nerus rerum!

Ach, noch vor ein paar Jahren,
da war es fein, für war.
Da waren wir die große,
die tapf're Heeresschar.
Wir dachten: uns kann kaner!
Wir standen oben an.
Wir hielten dem Japaner
für'n ganzen, kleinen Mann.
So'n ganzer, kleiner Mann
der kommt an uns nicht ran,
den schlag'n wir in acht Tagen,
er fängt nicht wieder an.

„Hinaus, in die Ferne!“
So rief ich voller Freud.
„Wir ziehen sehr gerne
hinaus zu Kampf und Streit“.

Wer will unter die Soldaten?
Dem verkünde ich vorher,
was man braucht beim Militär.

Vor allen Dingen merke sich ein jeder!
Nehmt Stiefel mit von dauerhaftem Leder.
Nicht lange währt das Fechten und das Raufen.
Doch ewig während nach dem Kampf das Laufen
füllt vor dem Kampf mit Wutki eure Flasche
und steckt ein Heil'genbild in eure Tasche.
Habt ihr noch Platz dann für ne Platzpatrone,
so nimmt Sie mit – wenn nicht, dann geht's auch ohne!“

Nun ade, du mein lieb Heimatland,
lieb Heimatland, ade!
(Ein Signal ertönt.)

Was blasen die Trompeten? Soldaten heraus!
Wir steh'n vor den Japanern – die seh'n ja scheußlich aus!
Bei näherer Betrachtung, da sagt ich mir alsdann:
„Die Straf ich mit Verachtung, die guck ich gar nicht an!“

Die japanische Armee
bracht mich auf ne Hauptidee
ich dacht: Was braucht ihr unser Blut!

Meine russischen Soldaten
sind für diese Heldentaten
und für diese Kerls zu gut.
Darum zieh'n wir uns zurück –
damit haben wir viel Glück –
ja, wir brennen kräftig durch.
Die Japaner hinterdrein – –
und bald sind sie – das wird fein –
bei uns zu Haus in Petersburg.
Seh'n Sie, das ist ein Geschäft!
Sind Sie dann erst bei uns zu Haus,
dann machen wir im Nu die Tore zu,
dann könn'n Sie nicht mehr raus.

Ja, so wollt ich's machen –
da gibt's nichts zu lachen –
dieses Ziel hätt ich bestimmt erreicht.
Immer retirieren,
immerfort verlieren,
das ist schließlich gar nicht mal so leicht.
Kreuzfideles und heiter
wie ich immer weiter,
aber meine Russen riefen bald:
„Wir können nicht mehr laufen,
müssen uns verschnaufen,
bitte um 5 Minuten Aufenthalt!“

So standen wir bei Mukden stehen.
Da schrieb der russ'sche Zar:
„Nun greift den Feind mal endlich an
mit deiner Heeresschar.“
Ich aber schrieb: „O Majestät!
Wohin soll sowas führ'n?
Wenn wir immerfort gewinnen soll'n,
dann müssen wir ja verlier'n!“
Und richtig war bei Mukden
entschwunden uns're Macht.
Ach, weil wir uns nicht duckten,
verloren wir die Schlacht.

Zu meinem Hauptverdrusse
steht Japan oben an,
und jetzt – jetzt ist der Russe
so'n ganzer kleiner Mann.
Was fangen wir nun an?
Jetzt sind wir übel dran!
Noch eins kann ich behaupten:
ich bin nicht schuld daran.

Denn ich schwärmte ja nie für ein „stehendes“ Heer.
(Zwischenspiel)
ein laufendes Heer, das gefällt mir weit mehr.
(Zwischenspiel)
drum bin ich der beste General von der Welt,
(Zwischenspiel)
da immer sein Heer auf dem „Laufenden“ hält.
(Zwischenspiel)

Weil ich nicht rückwärts durft, war ich verdrießlich.
Deshalb bat ich um meinen Abschied schließlich.
Auch hörte ich von meinen Heereshorden,
Sie sei'n vom Rücken ganz verdrückt geworden.
Drum endlich, als wir hinter Mukden waren,
sie kam ich ne Depesche von dem Zaren:
„Oh, kehr zurück, denn alles ist vergebens!“
Das war die schönste Stunde meines Lebens!

„Nach der Heimat komm ich wieder,“
rief ich voller Freuden aus,

„Wo von der Kultur
noch nicht eine Spur,
wo man täglich 10 Glas Wutki schlürft,
wo der Bauersmann
jetzt verhungern kann,
wo der Nihilist die Bombe wirft,
wo man spielt und liegt
und dem Zar betrügt,
wo so mancher schuldlos ward Verband,
dieses schöne Land
ist mein Heimatland,
ist mein wunderschönes Russenland.“

Gerade wie der Stößel bin
ich überwältigt worden,
drum schaute ich nach Deutschland hin
und dacht: Wo bleibt mein Orden?
Doch wird der Orden mir beschert,
war er die Brust nicht schmücken
ich krieg, weil ich mich umgekehrt,
den Stern auf meinen Rücken.

Doch 's kam kein Vogel geflogen –
das betrügt mich sehr.

Jetzt hab'n wir Frieden – aber ich
halt das nicht lange aus;
ich zieh bald wieder mit nem Heer
froh in die Schlacht hinaus.
Dann aber drehen wir uns rum,
Sie werd'n mich schon versteh'n.
Wir tun, als hätten wir die Pflicht,
nach Petersburg zu geh'n.
Auf diese Weise – das wird fein –
komm'n wir nach Japan dann hinein.
Na also – na also, –
dann hau'n wir alles tot.
Der Mikado kriegt seinen Lohn –
ich setz mich selber auf den Thron.
Na also – na also, –
Soldaten kommt heran!
Ich hab euch schon mal angeführt –
ich für euch wieder an.
(Nach den Klängen des Schlussmarsches singt der Vortragende:)
wir sind die Ersten – wir geh'n voran!
(Und marschiert ab.)

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