Seh’n Sie, darum ist es schade, daß der Krieg zu Ende ist.
Original-Vortrag. Text und Melodie von Otto Reutter
Teich/Danner Nr. 290
1.
Jetzt klagt mancher Fabrikante
von der schweren Industrie:
„Gerne hätt’ ich mit Kanonen
mehr verdient noch ohne Müh’.
Was nützt jetzt die Kanonade,
wo man Friedensflaggen hißt?
Seh’n Sie, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist.“
2.
Sagt ein Knäblein zu dem Vater:
„Unser Lehrer – das war schön –
mußt’ im Krieg ins Feld – wir brauchten
oft nicht in die Schule geh’n.
Jetzt kam er zurück, wie fade!
Unterricht zu jeder Frist.
Siehst du, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist.“
3.
Mancher alte Geck, der hatte
bei den Frau'n im Kriege Glück,
denn die jungen Leute fehlten,
aber jetzt kam'n sie zurück.
Seine einstige Poussade
geht jetzt mit 'nem Infant'rist –
Seh’n Sie, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist.
4.
Mancher Bursch'von sechzehn Jahren,
dessen Vater draußen war,
lebte flott, hat Geld verschleudert,
hatte schon 'ne Braut sogar.
Er will sie entführen grade,
da wird Vater Zivilist.
Seh’n Sie, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist.
5.
Durch den Krieg kam manches anders –
was vorbei ist, ist vorbei.
Es gibt Mehrheits-Sozialisten
und 'ne Minderheits-Partei.
Doch man trifft auf manchem Pfade
jetzt auch manchen Bolschewist –
Seh’n Sie, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist.
6.
Unsern dummen Auslands-Kultus
stellten wir in Kriege ein.
Doch ich wett’, es wird bald alles
wieder, wie’s gewesen, sein.
Michel’n ist das ganz pomade,
denn der kennt kein Ehrgelüst’.
Seh’n Sie, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist.
7.
Mancher Backfisch lispelt heute:
„Ach, im Krieg war’s originell,
denn man konnt’ im Dunkeln munkeln –
jetzt werd’n bald die Straßen hell.
Und ’s ist doch am schönsten grade,
wenn man sich im Dunkeln küßt,
seh’n Sie, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist.“
8.
Reizend war’n im Krieg die Frauen, –
viele hatten Hosen an,
und man konnte Manches schauen,
was man sonst nicht schauen kann.
Und man sah so manche Wade,
die man nicht so leicht vergißt –
seh’n Sie, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist.
9.
Eine Frau im schönen Sachsen
sprach zum Gatten tief bewegt:
„Ach, wie war der Kaffee dünne,
hat dich gar nicht aufgeregt.
Jetzt wird stark er nachgerade,
wo du doch so schwächlich bist,
Siehste, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist.“
10.
Eine alte Jungfer übt zehn
Jahre mit ’nem Papagei
’s Lied „Heil dir im Siegerkranz“, das
brachte sie ihm endlich bei.
Singt er jetzt die Serenade,
murkst ihn ab ein Anarchist –
seh’n Sie, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist.
11.
Ein Rekrut, ein äußerst dummer,
musste auch zum Kriege mit –
und er lernt in der Etappe
mühsam den Paradeschritt.
Endlich kann er die Parade,
da wird wieder abgerüst't.
Seh’n Sie, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist.
12.
Einen Landrat ohne Tadel
traf ich, und er klagte sehr:
„Kriegt’ vorm Jahre noch den Adel
und ’nen Orden groß und schwer –
Alles durch des Königs Gnade.
Nun regiert der Sozialist.
Seh’n Sie, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist.“
13.
Ein Besitzer nannt’ sein Café
früher „Café Imperial“.
Als der Krieg kam, nannt’ er’s schleunigst:
„Kaiser-Café“ – national.
Kaum ist fertig die Fassade,
wird der Kaiser schon vermißt –
Seh’n Sie, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist.
14.
Auf 'nem Platze steht ein Denkmal –
und der Held, der oben stand,
sollt' grad' eingeschmolzen werden,
da zog Frieden in das Land.
Und nun bleibt er kerzengerade,
wie erstand – auf dem Gerüst. –
Seh’n Sie, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist.
15.
Manch ein Schieber hat ein Lager,
das jetzt kaum die Hälfte wert,
hat Zigarr’n, die nicht zu rauchen,
Wurst, die keiner mehr verzehrt,
fünfzig Zentner Marmelade,
und keen’n Deuwel, der sie frißt –
seh’n Sie, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist.
16.
Drauß' im Felde – das kann vorkomm'n –
schlängelt sich ein Landwehrmann
an 'ne reizende Französin
immer etwas näher ran.
Und da bläst es Frieden grade,
eh' das Mädchen er geküsst – –
Seh’n Sie, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist.
17.
Ach, es gab im Überflusse
Kriegsgedichte, schön und lang.
Auch ich macht' noch kurz vor’m Schlusse
auf den Krieg ’nen Lobgesang.
Drucken ließ ich Ballade,
keiner kauft jetzt mehr den Mist –
Seh’n Sie, darum ist es schade,
daß der Krieg zu Ende ist!