Kinder, Kinder, wie soll das noch enden!

Original-Couplet von Otto Reutter

Teich/Danner Nr. 1

1.
Wien und Berlin hat jetzt schon Telephone —
Der Vater wird missachtet von dem Sohne —
Die neu'ste Mod' kommt stets von den Franzosen —
Der Mann gehorcht, die Frau die trägt die Hosen,
Mit Heilserum, da hilft man allen Kranken —
Was heut' feststeht, fängt morgen an zu wanken.
Das Alte stürzt, wohin man sich mag wenden —
Kinder, Kinder, wie soll das noch enden!

2.
Das ist im Leben hässlich eingerichtet,
Dass sich das Geld so schnell bei uns verflüchtet!
Die reichen Leute haben heute alles —
Und unsereins hat nichts als wie den Dalles!
Das Geld, es fehlt bei allen Nationen,
Denn unser Geld, die vielen Millionen,
Die hab'n die Kinder Israels in Händen —
Kinder, Kinder, wie soll das noch enden!

3.
Sehr viel geschah im neunzehnten Jahrhundert
Für alle Zeiten wird das wohl bewundert —
Der alte Zeitgeist, 'der ist längst entschwunden —
Die Eisenbahn, die wurde uns erfunden.
Electrisch Licht erstrahlt an allen Enden —
Das Telephon that Edison uns senden,
Und nun die Strahlen vom Professor Rönt'gen —
Kinder, Kinder, wie soll das noch „önd'gen!"

4.
Betrachtet man sich jetzt die Balleteusen,
Wie die so sittsam früher sind „gewösen";
Ja früher trugen sie noch lange Kleider —
Doch immer kürzer werden sie jetzt leider! —
Die Kleider gingen dann bis zu den Knieen —
Man hat den Mädels das auch noch verziehen,
Doch jetzt, da gehn sie nur bis zu den Lenden.
Kinder, Kinder, wo soll das noch enden!




Neue Verse von Otto Reutter.

l.

Automobil! Ist heute die Parole,
Dass die Maschinen doch der Teufel hole!
Ja, die Geschwindigkeit ist sonder Gleichen, ¦
Sie rast drauf los — ihr Weg geht über Leichen.
Wenn solchem Fahrer 'mal sein Ziel geglückt ist,
Kommt's vor, dass er im Kopfe ganz verrückt ist,
Dann muss man ihn direkt in's Tollhaus senden.
Kinder, Kinder, wie soll das noch enden!

2.

Herr August Scherl, dess' Kräfte nie erschlaffen,
Hat erst „Die Woche," dann „Den Tag" erschaffen,
Hat dann „Die weite Welt" zu sich genommen
Und ist dabei „Vom Fels zum Meer" gekommen.
Auf alle Blätter stürzt er sich verwegen,
Den ,.Reichsanzeiger" wird er bald verlegen,
Und uns zum Schluss sogar den „Vorwärts" spenden.
Kinder, Kinder, wie soll das noch enden!

3.

Schaut man jetzt 'mal in die Theaterzettel,
So sieht man nichts wie lauter Ueberbrettl,
's Drama ist tot, jetzt triumphirt die Lyrik,
Die grossen Dichter haben's jetzt recht schwierig.
Auch Hauptmann muss zum Brettl sich bekehren,
Selbst Sudermann lässt sich den Vollbart scheren,
Denn sonst kann ihn Wolzogen nicht verwenden.
Kinder, Kinder, wie soll das noch enden!

4.

Der Zolltarif ist gar nicht zu ertragen,
Wir armen Zöllner sind doch zu beklagen,
Auf Zucker, Salz, Kartoffeln, Brot ond Eier,
Auf Allem liegt 'ne indirekte Steuer.
Was ist der Schloss? Ein ungeheurer Dalles,
Die nothleidende Landwirtschaft kriegt Alles,
Wir aber stehen da mit leeren Händen.
Kinder, Kinder, wie soll das noch enden!


5.

Das schöne Leipzig liegt jetzt an der Pleite
Und die Bankiers sind im Gefängniss heute,
's ist Alles überfüllt, ich hab' vernommen,
Es kann kein And'rer mehr zum Sitzen kommen.
Der Wärter sagt jetzt in den meisten Fällen:
"Für and're Leute hab' ich kerne Zellen,
Ich kann sie blos für die Bankier's verwenden!"
Kinder, Kinder, wie soll das noch enden!

6.

Nein, wie es heutzutag' die Frauen treiben,
's ist besser, wenn wir Männer ledig bleiben.
Die Frau'n woll'n uns verdrängen, sie studieren,
Sehwärm'n für die Kunst, fahr'n auf dem Rad spazieren.
Der Vater muss sich dann zu Hause plagen,
Das-jüngste Kind muss er spazieren tragen,
Das greift ihn an die Brust mit beiden Händen.
Kinder, Kinder, wie soll das noch endenl

7.

Der Burenkrieg ist immer noch im Gange,
Die tapfren Bur'n verteid'gen sich noch lange —
Die Helden haben sich noch nicht ergeben,
Woll'n lieber sterben, als in Knechtschaft leben —
Der „Friedenszar," der reiste ohne Pause
Die Friedenspalme liess er wohl zu Hause?
Soll'n denn die Bur'n die letzte Kraft verschwenden?
Kinder, Kinder, wie soll das noch enden!

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