Der Deutsche ist im fremden Land
    Meist als ein Philosoph bekannt.
    Man weiß, er geht zu jeder Stund'
    Dem kleinsten Anlaß auf den Grund.
    Zu jeder Sache brauchen wir
    'ne Menge Zeit und viel Papier.
    Ob Republik, ob Monarchie,
    Der Schlendrian verläßt uns nie.

    Ich hab ein Haus in Berlin, daß ist noch wie neu,
    Bloß oben ist ein Loch, da ging etwas entzwei.
    Nun fehlen da oben ein paar Steine, es müssen neue dorthin.
    Ich sag' zu 'nem Maurer "Na die sind doch bald drin?"

        "Aber jewiß, lieber Mann,
        Da fang' wa gleich morgen an!"

    Also um Acht soll er anfangen, eine Stunde vergeht,
    Da seh ich ihn ankommen. Ich sage "'s ist spät!"
    "Ne", sagt er "'s ist Neune, de richtige Zeit,
    Der Weg zählt doch mit, und ich wohne sehr weit.
    Wollt' 'ne Straßenbahn nehmen, keene zu sehen.
    Ruf' 'nen Auto - besetzt. Na, da muß ich doch geh'n.

        Aber nu geh'n wa ran,
        Nu fang' wa gleich an!"

    Na, nun sieht er sich um, recht gründlich exakt,
    Was er mitgebracht hat, das wird ausgepackt.
    Er guckt rauf nach 'm Haus, da fehlt 'n Steen an dem Fleck,
    Also nimmt er 'n Steen und legt 'n gleich wieder weg.
    Er sucht erst 'ne Leiter, um nach oben zu gehen,
    Trägt sie acht Schritte weiter, da schlägt es Zehn.
    Na, nun frühstückt er 'n bischen, holt sein' Pülleken raus,
    Steckt die Pfeife in Brand, die geht fünfzehn mal aus.

        Und wie sie brennt, sagt er dann
        "Nu fang' wa gleich an!"

    Er nimmt noch 'ne Prise, es ist über Elfe,
    Dann nimmt er den Steen, es ist noch derselbe,
    Da muß er niesen, der Kopf wird ihm schwer
    Er legt den Steen wieder weg, denn sonst gibt's 'n Malheur.
    Er sucht nach 'nem Tuch, er hat leider keins.
    Ich sag "Is' gut, dann nehm' se meins."
    Na, nun ist ihm wieder wohl, wie 'm Fisch in der Elbe,
    Dann nimmt er den Steen, es ist noch derselbe
    Und will auf die Leiter, da schlägt es Zwölfe.
    Na, nun legt er den Steen wieder weg, seine Frau bringt das Essen.
    Nach so 'ner Arbeit, das schmeckt, da wird feste gegessen.
    Sie setzt sich zu ihm, er setzt sich zu ihr.
    Es gibt Karbonade und Gurken und Bier.
    Dann liest er die Zeitung und sagt entrüstet zu ihr
    "Du, da streiken se schon wieder, die soll'n schaffen wie wir!"
    Und dann gibt er ihr 'n Küßchen,
    Und dann schläft er 'n bischen,
    Und dann schlägt die Uhr Zwei
    Und dann ist schon die kurze Pause vorbei.

        "Nun", sagt er "geht's ran.
        Nun fang' wa gleich an!"

    Na, nun wird der Lehm umgerührt, der weiche, der gelbe,
    Und dann nimmt er den Steen, es ist noch immer derselbe,
    Da wird ihm schlecht! Die Gurken, das Bier!
    Er legt den Steen wieder weg und nimmt sein Zeitungspapier,
    Denn der Steen wär' ja weniger geignet dafür,
    Und geht an 'ne Tür und da steht "Hier".
    Kommt nach Drei wieder raus, aus dem kleinen Gewölbe
    Und dann nimmt er den Steen, es ist noch immer derselbe,
    Und geht nun wirklich ohne Rast, ohne Ruh',
    mit dem Steen auf die Leiter. Was sagen se nu'?
    Sie hat zwanzig Sprossen. jede 'nen Fußbreit entfernt,
    Aber er geht unverdrossen, gelernt ist gelernt.
    Da! Bei der achtzehnten hält er! Die Uhr schlägt Vier.
    Es ist Feierabend, und er steht hier.
    Nicht oben, nicht unten, die Sache geht schief.
    Er darf nicht mehr weiter, nach dem Tarif.
    Er hat noch zwei Sprossen, aber er darf sie nicht geh'n,
    Oder achtzehn nach unten, darf er nicht mit dem Steen.
    Was soll er nun machen, so nah am Ziel?
    Er schwankt zwischen Arbeit und Pflichtgefühl.
    Aber 's Pflichtgefühl siegt. "Ist egal!" sagt er grob.
    Und er läßt den Steen fallen, und mir auf 'n Kopp.
    Und wie ich schimpfe, da sagt er "Wieso steh'n se denn hier?
    Sie brauchen keen Kopp mehr, sie können schaffen wir wir!"

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